Interviews

Auf ein Wort mit dem Architekten Christian Töchterle-Knuth

Foto Helmut-Koch-Saal Rundfunkchor Berlin

Den perfekten Probesaal für einen großen Chor zu konzipieren, ist wahrlich ein schwieriges und umfangreiches Unterfangen! 2015 baute der Architekt Christian Töchterle-Knuth den Helmut-Koch-Saal im Haus des Rundfunks, den aktuellen Probesaal des Rundfunkchores Berlin, um und passte ihn an die Bedürfnisse der täglichen Chorarbeit an. Welche Herausforderungen brachte die Arbeit mit sich? Wie kreiert man die beste Akustik für einen Chor? Hier plaudert er ein bisschen aus dem Nähkästchen. Anlässlich des 100-jährigen Jubiläums des Rundfunkchores wird er zum Konzert „Chor im Wandel der Zeit“ am 15.02.2025 selbst durch das Haus des Rundfunks führen.

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Christian Töchterle-Knuth, Architekt (Helmut-Koch-Saal im HdR)

Welche akustischen Überlegungen haben Sie bei der Planung des Chorprobensaals angestellt, um die Klangqualität während der Proben zu optimieren?

Ursprünglich wurde der Saal als Aufnahmestudio für Sprache und Hörspiele erstellt – Gesang war gar nicht als Teil der Nutzung vorgesehen und hat auch im Vergleich zur gesprochenen Sprache ganz andere Notwendigkeiten. Sprache benötigt einen schall-trockenen Raum, in dem Hintergrundgeräusche möglichst rasch geschluckt werden können, damit das Hören der einzelnen Stimme gut funktioniert. Gesang und Musik benötigen Reflektion und Mischung, mit gewissen Nachhallzeiten, die für Vokal- und für Instrumentalmusik unterschiedlich lang sein sollten.

Raumausmaße

Die Raumausmaße entsprechen eigentlich nicht der optimal vorgesehenen Größe für einen großen Chor wie den Rundfunkchor. In Studien für Chorgesang wird das optimale Volumen für eine Person mit mindestens 30 Kubikmetern angegeben. Der Helmut-Koch-Saal kann seinen ca. 64 Mitwirkenden maximal etwas mehr als 27 Kubikmeter bieten.

Aufstellmöglichkeiten

Außerdem ist die optimale Form eines Probesaales trapezförmig mit gleichen Längs- und Quermaßen. Der Helmut-Koch-Saal ist etwas zu sehr in die Länge gezogen, was für Proben auch vor dem Umbau schon problematisch war. Das im Saal installierte Podest war längsorientiert und damit war ein gemeinsames Hören, besonders der entferntesten Stimmen zueinander, kaum möglich. Wir haben also einige geometrische Aufstellmöglichkeiten der Sängerinnen und Sänger untersucht und zusammen mit den Chorverantwortlichen ein eher konzentrisch kreisförmiges Podest gewählt. Damit haben wir die Entfernungen der einzelnen Stimmen vereinheitlicht und auch eine Teilfläche gegenüber der normal verwendeten Aufstellung geschaffen, auf der bei Bedarf zusätzliche Mitwirkende Platz finden können.

Raumakustik

Die Umsetzung der mit den Akustikplanern von MMT Network entworfenen Raumakustik gestaltete sich schwierig, da raumgreifende Lüftungsleitungen eingebracht werden mussten, die nur zum Teil in der Lage verliefen, wie es das Raumakustikkonzept sich wünschte. Hier widersprachen sich auch aus Platzgründen die Lüftungsdynamik und die Raumakustik. Nach einigem Hin und Her konnten wir die Vorgaben aber gut umsetzen.

Sie können sich vielleicht vorstellen, was es für eine Anspannung in mir gab, als der Saal baulich fertiggestellt war und eine Raumakustikmessung gemacht werden sollte. Und welch eine Erleichterung, als es sich herausstellte, dass sich die erreichten Werte als gut bis exzellent darstellten (der Saal ist sogar dafür geeignet, Aufnahmen zu produzieren)! Besonders für die Probenutzung hat sich der Saal als sehr gut erwiesen: Die einzelnen Stimmen sind sehr präzise erkennbar, man kann sich gegenseitig gut hören und sehen. Dies mag für ein Konzert nicht das Optimum sein, wo eine gute Mischung der Stimmen den Gesamtklang ausmacht, für einen Proberaum aber allemal.

Schallgenese

Die Schallgenese stellte eine große Rolle und auch einen großen Kostenfaktor bei der Einrichtung des Saales dar. Ein patentiertes System von Klangverstärkung von Schichtholzplatten (RESPA) wurde für Bodenbeläge verwendet. Diese Platten haben in einigen Schichten Fräsungen und Einlagen aus Metallstreifen, die eine besondere Wirkung erzeugen und sich auf die einwirkenden Schallwellen verstärken. Die Stimmen der Singenden werden dadurch besser hörbar. Jede einzelne Platte ist derart bearbeitet und durch die Raumgeometrie sind sehr viele unterschiedliche Plattenformate entstanden. Die Oberschicht besteht aus hartem Bambus, der widerstandsfähig gegen Abnutzung ist.

Gab es spezifische Herausforderungen im bestehenden Raum, die Sie überwinden mussten, und wie haben Sie diese gelöst?

Ja die gab es durchaus. Wie zuvor beschrieben, war der Helmut-Koch-Saal ein Aufnahmestudio für Hörspiele. Die Lüftung war entsprechend für wenige Personen ausgerichtet. Mit den Stimmen des Chores und seinen 64 und mehr Mitgliedern funktionierte die bestehende Lüftung nicht; bei den Singenden kam nie genügend Frischluft an. Das Lüftungssystem musste demnach komplett umgestaltet werden. Nunmehr wird über die Podeststufen, unhörbar langsam die frische Luft eingebracht. Es bildet sich ein „Frischluftsee“, der thermisch kühler ist als die Abluft, die nach oben steigt und an der Decke abgesaugt wird.

Weiterhin musste die Stahlkonstruktion des Saaldaches auf seine Bestandteile untersucht werden, da die bestehenden Tragwerkunterlagen nichts über die Qualität der Stahlträger aussagen. Mit wenigen Verstärkungsmaßnahmen konnte die Tragfähigkeit jedoch bald nachgewiesen werden.

Außerdem musste der Brandschutz erneuert werden, da der bestehende den aktuellen Anforderungen nicht mehr entsprach.

Wie haben Sie die Bedürfnisse der Chormitglieder und des Dirigenten in den Umbauprozess integriert, um eine inspirierende und funktionale Umgebung zu schaffen?

Raumakustik

Einige Punkte wie die Aufstellung für besseres gegenseitiges Hören, die Raumakustik, optimierte Schalllenkung und Schallgenese habe ich ja bereits beschrieben. Weiterhin war es wichtig, keine elektronische Verstärkung, sondern optimale Raumakustik herzustellen. Und da für die Chormitglieder um den Saal herum keine Lagerflächen zur Verfügung gestellt werden konnten, musste im Saal soviel wie möglich gelagert werden können. Dies konnte durch die Nutzung von Hohlräumen erreicht werden, in die abschließbare Spinde für die einzelnen Singenden und Ablagen für weiteres Material eingebaut wurden.

Gestaltung/Farbkonzept

Gestalterisch haben wir versucht, durch die bestehenden hölzernen Schalllenkelemente an den Längswänden etwas vom bestehenden Saal beizubehalten. Die Holzelemente wurden aufgearbeitet und wiederverwendet, um im Saal eine angenehme, behagliche Atmosphäre zu schaffen. Die Längswände erhielten einen warmen und einen kalten Blauton, die mit dem Holzton gut zusammenspielen. Die Seitenwände und Böden sollten mit ihrem Weiß die Helligkeit im Saal unterstützen und die schwarze Decke den Saal optisch höher wirken lassen.

Ordnende Unordnung

Die Raummaße des Saales sind aus Gründen der Minimierung von Echobildung unterschiedlich. Schräge Wände sind in Aufnahmestudios und Räumen für Musik ein probates Mittel, um unerwünschte Echos zu unterbinden – quasi eine „ordnende Unordnung“. Das führt dazu, dass die Wände unterschiedlich lang sind. Die ursprüngliche Ordnung in der Hängung der bestehenden Schalllenkelemente aus Holz empfanden wir als suboptimal. Einerseits war sie strikt – die Elemente waren in Dreiergruppen zusammengefasst –, andererseits waren die Abstände untereinander nie passend gleich. Davon haben wir uns befreien wollen und stattdessen eine Hängung mit gleichen Abständen der Elemente untereinander hergestellt, jedoch die Gruppen aufgelockert und damit von Zwängen der vorhergehenden Ordnung in Dreiergruppierung befreit.

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