Interviews
Auf ein Wort mit Christina Schadt
Am 14.02. findet im Heimathafen Neukölln die RundfunkchorLounge »Zum Wohl?« statt. An diesem Abend widmen wir uns dem Thema Alkohol – welche Rolle er in unserer Gesellschaft spielt und welche besondere Beziehung zwischen Rausch und Kunst besteht. Christiana Schadt von der Fachstelle für Suchtprävention Berlin ist einer unserer Gäste. Im Gespräch vorab gibt sie uns einen Einblick in ihre Arbeit.
Berlin ist bekannt dafür eine Stadt des Rauschs und des Exzesses zu sein. Ist in einer Stadt wie Berlin Suchtprävention besonders wichtig?
Berlin ist eine Stadt mit ganz vielen Facetten – arm und reich, unterschiedliche kulturelle Herkünfte, jung und alt, allein stehende Personen und Familien, unterschiedlichen Stadtteilen und Herausforderungen. Menschen in Berlin konsumieren Substanzen wie Alkohol, Nikotin, Cannabis und andere illegale Substanzen unterschiedlich intensiv und aus verschiedenen Gründen. Rausch ist hier nur eine Facette. In jedem Fall braucht Berlin eine starke und wirksame Suchtprävention, die den Menschen in ihren jeweiligen Lebenssituationen Angebote macht und den Ansatz, dass Menschen in ihrer Konsumkompetenz gestärkt werden, öffentlich sichtbar macht. Das tut die Fachstelle für Suchtprävention Berlin seit 18 Jahren erfolgreich gemeinsam mit Partner*innen..
Wird Ihnen das Thema Sucht im täglichen Diskurs heutzutage zu wenig thematisiert?
Im täglichen Diskurs kommt uns in der Tat oft der Zusammenhang von Problemlagen mit riskanten Konsummustern zu kurz. Und es wird oft erst reagiert, wenn das „Kind in den Brunnen gefallen ist“. Dabei wissen wir mittlerweile ganz klar, dass eine umfassende Präventionsarbeit Folgekosten von Suchterkrankungen reduziert. Daher braucht es mehr Gewicht für Suchtprävention in Berlin – sowohl politisch als auch gesellschaftlich. Sie ist ein lebenslanges Thema von der Geburt bis ins Alter – dieses Modell der Präventionskette tragen wir in den täglichen Diskurs hinein. Und es ist wichtig zu sehen, dass riskantes Konsumverhalten nicht alleine das Thema der einzelnen Person ist, sondern gesellschaftliche Dimensionen hat, so dass auch der Umgang mit riskantem Konsum und Suchterkrankungen nicht alleine in der Verantwortung jedes/jeder Einzelnen liegt, sondern auch das Umfeld sowie die Gesellschaft Verantwortung übernehmen muss.
Welche Ziele hat sich die Fachstelle für Suchtprävention gesetzt und wie arbeitet sie um diese zu erreichen?
Die Fachstelle für Suchtprävention setzt sich seit vielen Jahren dafür ein, Suchtmittelkonsum und riskantes Verhalten in Berlin zu reduzieren und einen risikokompetenten Umgang mit Konsum zu befördern. Als zentrale Kompetenzstelle entwickeln und koordinieren wir suchtpräventive Angebote in Berlin, bündeln Informationen und Wissen und geben dieses durch ein Beratungsangebot, zahlreiche Weiterbildungen, umfassende Netzwerkarbeit sowie Öffentlichkeitsarbeit an unterschiedliche Personen und Institutionen in Berlin weiter. Gemeinsam arbeiten wir mit Partner*innen dafür, dass Suchtprävention nachhaltig und wirksam umgesetzt wird, sich an Qualitätsstandards orientiert und politisch Gewicht erhält. Wir greifen aktuelle Themen auf und bringen diese in die Breite. Wir widmen uns besonders belasteten Zielgruppen und machen hier Angebote, um riskantem Substanzkonsum von Alkohol, Nikotin, Medikamenten, Cannabis und anderen illegalen Drogen und riskanten Verhaltensweisen, wie riskante Mediennutzung und Online-Glücksspiel, zu begegnen. Wichtig ist uns bei allen Aktivitäten, dass wir die Menschen und ihre Bedürfnisse in den Blick nehmen, wertschätzen, was sie mitbringen und auf dieser Basis eine Entwicklung befördern.
Welche Entwicklungen haben Sie vor allem in den letzten Jahren erlebt? Sind die Betroffenen-Zahlen gestiegen?
Wir erleben, dass Alkohol-, Nikotin- und Medikamentenkonsum seit vielen Jahren die höchsten Konsumzahlen aufweisen, auch wenn das in der öffentlichen Debatte nicht immer entsprechend wahrnehmbar ist. Cannabis ist im illegalen Bereich mit Abstand die meistkonsumierteste Droge. In den letzten Jahren hat in Berlin u.a. auch Kokain zugenommen. Nicht jeder Konsum ist problematisch, wenn Konsumverhalten jedoch auffällt, sollte es ein Anzeichen sein, genauer hinzuschauen. Es ist wichtig die unterschiedlichen Lebensbereiche und Altersgruppen zu berücksichtigen, denn die Zu- und Abnahme von Betroffenen-Zahlen unterscheidet sich hier. So hat der Alkoholkonsum bei jungen Menschen abgenommen, der Nikotinkonsum dagegen nimmt seit vielen Jahren erstmals wieder zu, Cannabiskonsum bleibt anhaltend auf hohem Niveau.
Mit Suchtprävention verbinden einige vielleicht eher nicht so erfreulichen Dinge. Was sind denn die Aspekte, die Ihnen an Ihrem Beruf gefallen und gibt es vielleicht auch positive Entwicklungen?
Mir gefällt, dass wir Menschen in Berlin befähigen können, kompetenter mit Konsumverhalten umzugehen – seien es Lehrkräfte und Sozialpädagog*innen, die sicherer werden im Umgang mit Konsumverhalten ihrer Jugendlichen, seien es Eltern, die sicherer werden im Umgang mit ihren Kindern oder die Menschen selbst, die wir mit unserer direkten Zielgruppenarbeit erreichen, z.B. Menschen mit Fluchtgeschichte oder Kinder und Familien mit (Sucht-)Belastung. Suchtprävention bekommt durch uns ein positives Image, denn es geht im Kern darum, Menschen ein unabhängiges Leben zu ermöglichen. Schön ist, wenn Menschen uns schreiben, dass die Inhalte einer Weiterbildung ihnen in ihrer beruflichen Praxis helfen, dass die Beratung sie unterstützt, mit dem eigenen Konsumverhalten oder dem des Kindes besser umzugehen. Es beflügelt ebenso, wenn junge Menschen uns sagen, dass die Workshops mit uns Spaß machen und sie motivieren, sich kritischer mit ihrem eigenen Konsumverhalten zu beschäftigen. Oder wenn Auftraggeber*innen feststellen, dass die Projekte und Maßnahmen, die wir umsetzen, eine hohe fachliche Qualität haben und die Ziele mehr als erreicht werden. Wir sind mit Herzblut dabei und setzen uns hier seit vielen Jahren für eine positiv besetzte Suchtprävention ein.
Die kommende Rundfunkchor Lounge befasst sich nun mit dem Thema Sucht. Hat Kunst und vor allem Musik eine Verbindung mit Sucht und Alkohol? Vor allem in Bezug auf viele bedeutende Musiker:innen?
Wir wissen von zahlreichen bedeutenden Musiker*innen und Künstler*innen, dass sie Substanzen konsumiert und unter diesem Einfluss besondere Kunstwerke geschaffen und Musikstücke komponiert haben. Gleichzeitig nimmt der Ruhm, den Künstler*innen erfahren, oft Einfluss auf ihr Wirken und nicht selten macht er Druck, dem mit Hilfe von riskantem Alkohol- oder Drogenkonsum begegnet wird. Damit gibt es einen Zusammenhang von Konsumverhalten und Kunst/Musik auf ganz unterschiedlichen Ebenen – z. B. als kreativer Motor, aber auch als Bewältigung von schwierigen Lebenssituationen – ganz menschlich. Nicht wenige Musiker*innen verarbeiten persönliche Erfahrungen und Emotionen in der Musik und Kunst…um Emotionen geht es auch in der Suchtprävention. Es geht darum, wo die Gründe für Konsum liegen und darum, Strategien zu finden, damit gut umgehen zu können. Musik und Kunst können hier wiederum auch gute Bewältigungstools sein – wir sehen, es gibt einen vielfältigen Zusammenhang.