es liegt ein Aufbruch in der Luft. Nicht nur, dass wir im Konzertsaal endlich wieder mit Ihnen persönlich in Kontakt treten können. Auch sonst wollen wir Neues in Bewährtes einfließen lassen.
So hat unsere RundfunkchorLounge eine neue Moderatorin: Boussa Thiam. Auf den folgenden Seiten stellen wir Ihnen Boussa in einem Interview vor. Was sie für die Moderation der Lounge hervorhebt – Zugänglichkeit, Offenheit, das Schaffen einer Atmosphäre des Austauschs –, das gilt auch für den Rundfunkchor Berlin und seine künstlerische Arbeit im Ganzen.
Wir möchten die Menschen in den Vordergrund stellen, das gemeinsame Erlebnis und den Austausch. Auf und neben der Bühne, im klassischen Konzertsaal wie im Heimathafen Neukölln, beim Engagement für professionellen Nachwuchs ebenso wie bei unseren Mitsingformaten. Wir suchen die Nähe zu Ihnen, unserem Publikum, und allen, die uns noch kennenlernen wollen.
So nahbar, wie sich die Mitglieder des Chores auf den folgenden Seiten präsentieren, so nahbar möchten wir für unser Publikum, die Bewohner*innen dieser Stadt und alle Musikinteressierten sein.
Dabei unterstützen uns unsere Gesellschafter Deutschlandradio, Bundesrepublik Deutschland, Land Berlin und Rundfunk Berlin Brandenburg. Sie ermöglichen unsere künstlerische Arbeit und tragen im Falle der beiden Rundfunkanstalten unsere Konzerte durch Übertragungen und mediale Begleitung zu den Menschen auch außerhalb der Konzertsäle. Wir laden Sie herzlich ein, gemeinsam mit uns die neue Saison 2022/23 zu erleben.
Ihre
Rachel-Sophia Dries und Gijs Leenaars
Ab der Saison 2022/23 hat die RundfunkchorLounge eine neue Moderatorin: Boussa Thiam. Seit über 20 Jahren moderiert sie für verschiedene Radiosender vom rbb bis zum Deutschlandfunk Kultur. Wir haben mit ihr über das A und O des Moderierens gesprochen, über ihr Engagement für Nachhaltigkeit, Diversität und feministische Themen – und natürlich über ihre Erwartungen an die RundfunkchorLounge.
Boussa, du hast im Laufe deiner Karriere jede Menge Interviews geführt – wie bekommt man jemanden dazu, etwas Persönliches preiszugeben?
Um ehrlich zu sein, versuche ich stets die Inhalte und nicht die Person in den Vordergrund zu stellen. Aber wenn sich während eines Gesprächs eine persönliche Frage ergibt, dann habe ich damit kein Problem. Eine gute Moderation hat vor allem mit Empathie und Einfühlungsvermögen zu tun, und entsprechend spürt man schon, was jemand bereit ist zu erzählen. Generell ist es mir stets wichtig, etwas Neues zu erfahren, zu lernen und mich dabei auch selbst weiterzuentwickeln. So banal das klingen mag – das ist zentral.
Was macht für dich denn eine gelungene Moderation aus?
Das kommt natürlich auf den Kontext an. In der RundfunkchorLounge stehen weniger der Disput und das kritische journalistische Nachfragen im Zentrum. Hier geht es eher darum, den Raum zu öffnen, eine charmante und lockere Atmosphäre zu schaffen, die Gespräche zu führen – und dabei die Komplexität der Musik so nah- bar und zugänglich wie möglich zu präsentieren, niederschwellig, aber mit Niveau! Ich sehe mich da eher als Vermittlerin. Und ich freue mich natürlich auch darauf, durch so einen feierlichen, fast festlichen Abend mit toller Musik zu führen.
Du setzt dich immer wieder für Nachhaltigkeit, Diversität und Feminismus ein. Siehst du diesbezüglich Anknüpfungspunkte für die Moderation der Lounge?
Das kommt immer auf die Themen an. Manchmal lassen sich derartige Fragen anbringen, manchmal nicht. Ich möchte so etwas nicht erzwingen. Mir ist es auch wichtig, nicht auf Themen wie Diversität reduziert zu werden – und trotzdem muss man natürlich immer wieder ein Bewusstsein für Vielfalt in jeglicher Hinsicht schaffen. Generell ist in der Klassik im Hinblick auf Feminismus und Diversität aber noch viel Platz nach oben, um es einmal vorsichtig zu formulieren. Wie viele berühmte Dirigentinnen fallen einem denn ein? Wie viele Schwarze Komponist*innen? Da gibt es eine Menge Leerstellen.
Auf was freust du dich am meisten bei der RundfunkchorLounge? Welche Themen stehen an?
Da wäre einmal »Coming to Berlin« – ein Abend rund um die Attraktion Berlins für Menschen von außerhalb, ein Abend über Migrationskultur. Als Berlinerin freue ich mich besonders darauf. Anschließend wird es in der zweiten Lounge philosophisch, wenn wir uns mit dem Alleinsein befassen. Alleinsein ist ja nicht gleichbedeutend mit Einsamkeit, und ich bin gespannt, wie sich das musikalisch umsetzen lässt. Und schließlich wird mit »Bella Italia – La dolce vita?« eine etwas andere Musikkultur Italiens im Fokus stehen. Dabei werden wir auch unangenehme Themen nicht ausklammern und beispielsweise über die Mafia und deren Verbindungen nach Deutschland sprechen. Man darf also gespannt sein!
Heute Programmvorstellung für die Spielzeit 2022/23. Geht gut los: Dallapiccolas »Il prigioniero« mit den Berliner Philharmonikern und Petrenko – tolle, politische Oper! Dann Ethel Smyths »The Wreckers« – noch ein politisches Stück, diesmal von einer Komponistin, die Teil der englischen Suffragettenbewegung war. Das Herzstück der Saison dann ab April: zehn Termine mit Verdis »Messa da Requiem«, wow! Das Verdi-Requiem ist zwar Teil des Repertoires, aber das, was uns da nächste Saison erwartet, ist eine andere Nummer: eine szenische Produktion mit dem Staatsballett Berlin … das Requiem als groß angelegter Totentanz sozusagen. Wie wohl die Zusammenarbeit mit Choreograf Christian Spuck sein wird, der ab 2023/24 Intendant des Staatsballetts wird? Er hat das Stück wohl vor ein paar Jahren schon in Zürich realisiert. Und jetzt mit uns in Berlin – bin gespannt!
Gerade drei Abende hintereinander Verdi-Requiem mit Barenboim in der Philharmonie – intensiv, wie immer! Ich mag dieses Stück echt unglaublich gerne … so gewaltig und emotional! Auch wenn’s im Konzertsaal kaum auffällt: Für die Kirche war dieses Stück definitiv schon immer eine Nummer zu groß – das ist eigentlich eine Oper, getarnt als Requiem! Aber hey, genau vor diesem Hintergrund könnte ja auch eine szenische Umsetzung wieder total gut passen, oder?
Gestern Mitsingkonzert – diesmal mit dem Fauré-Requiem. War toll! Musste daran denken, wie wir vor Jahren mal das Verdi-Requiem mit 1200 Mitsänger*innen gesungen haben. Ich werde nie vergessen, wie nach dem ersten intimen Satz das gewaltige »Dies irae« mit voller Wucht in die Ruhe platzte. Die Philharmonie schien einzustürzen!
Gerade im Garten gewesen. Jetzt ist die Zeit, die Rosen winterfest zu machen, bevor’s zu kalt für sie wird.
Die kühle Herbstluft, die schon fast nach Winter riecht – herrlich! Einen besseren Ausgleich zum Konzertalltag kann ich mir nicht vorstellen. Heute ist übrigens Todestag von Verdis zweiter Ehefrau, der Opernsängerin Giuseppina Strepponi. Immer, wenn wir das Verdi-Requiem singen, fällt mir auf, wie organisch das Stück geschrieben ist. Als Sängerin merkt man sofort, dass es der Stimme nichts Unmögliches abverlangt. Ob das damit zu tun hat, dass Verdi mitbekommen hatte, wie Strepponi ihre Stimme schon früh ruiniert hatte?
Gestern endlich diese Doku über die Ballettproduktion des Verdi-Requiems in Zürich angesehen – unglaublich prägnant und trotzdem poetisch! Die Vorfreude steigt. Heute habe ich gelesen, dass der Erzbischof von Mailand die Sängerinnen zur Uraufführung 1874 nur zuließ, wenn sie verschleiert und hinter einem Gitter an der Seite des Raumes auftraten. Frauen durften damals echt nicht in der Kirche singen. Unvorstellbar! Dabei sind die weiblichen Stimmen für den Klang dieses Stücks doch so entscheidend!
Heute Probenstart für die szenische Umsetzung des Verdi-Requiems in der Deutschen Oper. Trotz aller Vertrautheit mit dem Stück war ich etwas nervös. Es ist so voll auf der Bühne!
In Sachen Corona ist ja längst alles wieder »normal« – aber die Pandemiejahre mit ihren Abstandsregeln haben sich eingebrannt. Tänzer*innen haben diese ganz andere Körperlichkeit. Ich hoffe, in der Aufführung wird deutlich, was für eine unglaubliche Bereicherung die zusätzliche Ausdrucksebene für das Stück ist. Und dass die versteckten inhaltlichen Bezüge zwischen Text und Musik für das Publikum noch mal buchstäblich greifbarer werden.
Gestern Premiere mit dem Verdi-Re- quiem – was für ein Abend! Genauso überwältigend und fantastisch wie gedacht, das Zusammenspiel mit den Tänzer*innen – unglaublich inspirierend! Das wird noch lange in mir nachhallen. So, und jetzt ab in den Garten! Der Winter war viel zu lang. Endlich Frühling, endlich Zeit, neu auszupflanzen. Und morgen geht’s dann weiter mit Verdi – ich freu mich!
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber für mich ist der Tod vor allem ein Fragezeichen. Um genau zu sein: das größte. Ich plane im Juni 2023 einen Abend mit dem Rundfunkchor Berlin und der wunderbaren Schauspielerin Eva Meckbach, einen Abend, an dem wir diesem ewigen Thema Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber für mich ist der Tod vor allem ein Fragezeichen. Um genau zu sein: das größte. Ich plane im Juni 2023 einen Abend mit dem Rundfunkchor Berlin und der wunderbaren Schauspielerin Eva Meckbach, einen Abend, an dem wir diesem ewigen Thema in Text und Musik nachspüren wollen. Bei der Konzeption war es uns wichtig, möglichst offen und unvoreingenommen vorzugehen und dabei nicht zu theologisch oder liturgisch zu denken. Denn allzu schnell präsentiert man Antworten, ja fast schon Gewissheiten und drückt die Fragen, die Unsicherheit beiseite. Dabei provoziert der Tod gerade dadurch, dass er uns allen sicher ist, eine endlose Reihe von Fragen, die jede* anders beantwortet. Und das ist doch eigentlich das Spannende daran. Einige davon möchte ich Ihnen auf der folgenden Seite stellen.
Ihr
Gijs Leenaars
Bleiben Sie immer auf dem Laufenden mit aktuellen Terminen, Konzerteinblicken und Interviews