Italien – der Sehnsuchtsort der Deutschen. Doch wie jede Sehnsucht, ist auch diese am Ende vor allem eine Projektion, die oft mehr über die eigenen Wünsche erzählt als über den Gegenstand, auf den diese gerichtet sind. Wird eine solche Projektion enttäuscht oder enttarnt, so schlägt das Pendel schnell in die andere Richtung um. Für die Komplexität der Verhältnisse ist selten genug Zeit und Raum.
»Wir wollen an diesem Abend nicht nur musikalisch, sondern auch thematisch hinter die Klischees blicken, der Vielfalt Italiens in Geschichte und Gegenwart nachspüren und dabei auch schwierige Themen nicht aussparen.«
Statt Verdi jüdischer Swing vom Trio Lescano, einem im Italien der 1930er- und 40er-Jahre erfolgreichen Gesangstrio; statt Teutonengrill an der Adria Lampedusa als Anlaufstation für unzählige Boote mit Geflüchteten; statt Gelato und Pizza die Mafia und ihre Verstrickungen bis in die deutsche Unterwelt. Darüber sprechen wir mit dem auf die Mafia spezialisierten Journalisten Sandro Mattioli. Außerdem freuen wir uns darauf, mit Dr. Edith Pichler ins Gespräch zu kommen, ihre Forschungsschwerpunkte sind: italienische Migration in Europa, Erinnerungskulturen und Deutsch-Italienische Beziehungen.
Dafür, dass angesichts all dieser doch eher schweren Themen die schönen Momente nicht zu kurz kommen, sorgt neben den Sänger:innen des Rundfunkchores Berlin unter Leitung von Gijs Leenaars wie immer Moderatorin Boussa Thiam.
Gäste:
Edith Pichler
stammt aus dem Trentino- Südtirol. Sie studierte Politische Wissenschaften am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin. 1995 wurde sie promoviert und 2014 habilitierte sie sich (National Scientific Habilitation) als Associate Professor durch das italienische Ministerium für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Seit 2011 ist sie Dozentin an der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der Universität Potsdam. Zuvor war Edith Pichler von 1996 bis 2011 Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Dozentin am Institut für Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität in Berlin. 2004/2005 erhielt sie eine Einladung als Gastprofessorin am Institut für Soziologie der Universität La Sapienza in Rom.
Ihr Themenschwerpunkte sind ethnische Ökonomie, Migration und Alter, Symbolische Exklusion von Migranten, Bildung und Weiterbildung unter Migranten, Regionalismus und Erinnerungskulturen in Europa. Sie gehört zu dem wissenschaftlichen Beirat von der Fondazione Migrantes, von der von Donzelli herausgegeben wissenschaftlichen Reihe über italienische Emigration in Europa und als Expertin zu Neodemos. Sie arbeitet zusammen mit dem CSER und mit dem Centro Altreitalie in Turin, sie ist Mitglied im Rat für Migration Deutschland und beim Südtiroler Gesellschaft für Politikwissenschaft Mitglied bei Österreichische Gesellschaft für Politikwissenschaft und bei– Societá Italiana di Scienza Politica. Seit 2023 ist sie Vizepräsidentin vom Forum Accademico Italiano in Deutschland und Trägerin des von Präsidenten Italiens verliehenen Verdienstorden „onorificenza di Ufficiale dell’Ordine della «Stella d’Italia».
Sandro Mattioli
Sandro Mattioli arbeitet als investigativer Journalist und ist Präsident des Vereins mafianeindanke, der wichtigsten Antimafia-Organisation in Deutschland mit rund 200 Mitgliedern, die bereits viele Verbesserungen im Kampf gegen Mafia-Clans mit auf den Weg gebracht hat. Mattioli hat ein Mutter- und ein Vaterland: das Mutterland ist Italien, sein Vaterland dagegen Italien. Mit dem Thema Mafia kam Sandro Mattioli erstmals im Jahr 2007 in Kontakt, als er in der Tagesschau einen Bericht über den Sechsfach-Mord in Duisburg sah. Im Zentrum der Stadt in Nordrhein-Westfalen richtete eine Fraktion der ’ndrangheta sechs Mitglieder einer anderen brutal hin. Später lebte und arbeitete Mattioli in Rom, seitdem recherchiert er intensiv zur Italienischen Organisierten Kriminalität, vor allem zu ihren Aktivitäten und Verflechtungen in Deutschland.