György Ligeti – »Hommage à Hilding Rosenberg«
Dieses Duett für Violine und Cello schrieb Ligeti 1982 anlässlich des 90. Geburtstages von Hilding Rosenberg, den er durch seine Lehrtätigkeit an der Universität in Stockholm in den 60er-Jahren kennenlernte. Die beiden Stimmen wechseln sich damit ab, einerseits ein immer leicht variiertes, abwärts laufendes Motiv und andererseits stehende Akkorde zu spielen.
Hilding Rosenberg – Choral Nr. 1 aus der Symphonie Nr. 4 »Die Offenbarung des Johannes«
Hilding Rosenberg war die zentrale Figur der schwedischen klassischen Musik des 20. Jahrhunderts. Ähnlich wie etwa Schönberg oder Ravel war er stark in bestehenden Konventionen behaftet und sah sich selbst in der ungebrochenen Tradition seiner musikalischen Idole Bach, Mozart, Beethoven und Brahms. Dabei nutzte er traditionelle Formmodelle als Ausgangspunkt für seine Kompositionen, formte diese aber um und füllte sie mit einer modernen, »zeitgemäßen« Tonsprache. Der hier gesungen Choral »Es brennt auf der Insel, die Erde heißt« steht mit seiner ruhigen und zurückgehaltenen Tonsprache dagegen in einem starken Kontrast zur restlichen Symphonie. Er bildet einen starken Gegenpol zum Text, in dem der Zweite Weltkrieg beschrieben wird.
Olivier Messiaen – »Vocalise, pour l’ange qui annonce la fin du temps« (2. Satz) aus »Quatuor pour la fin du temps«
Dieses Stück entstand in einer absoluten Ausnahmesituation. In deutscher Kriegsgefangenschaft komponierte Messiaen das »Quartett für das Ende der Zeit« 1940/41 auf mehreren losen Blättern und leitete dort dessen Uraufführung mit Instrumenten, die nur durch Spenden von Mitgefangenen gekauften werden konnten. Die hier gespielte 2. Satz »Vokalise«, ein Lied ohne Worte, soll die Ankunft des Engels verkünden, der später im Quartett das Ende der Welt verkünden und einläuten wird.
Wilhelm Killmayer – Auszüge aus »Schweigen und Kindheit. Sechs Lieder nach Gedichten von Georg Trakl«
So wie auch die zugrunde liegenden Gedichte von Georg Trakl von Stille erzählen, so sind auch Killmayers Lieder von 1996 geprägt von einem konsequenten Reduktionismus. Er beschränkt sich auf das Allernötigste: Die Kompositionen haben meist nur ein einziges tonales Zentrum, welches anhand von nur wenigen, aber dafür umso spannungsgeladeneren Tönen gebildet wird. Die Totenstille des Textes findet auf diese Weise ein sehr stimmiges musikalisches Pendant.
Johann Michael Bach – »Halt, was du hast«
Johann Michael Bach Choräle waren ein großer Einfluss für dessen deutlich jüngeren – und deutlich berühmteren – Verwandten Johann Sebastian. In »Halt, was du hast« werden die beiden Chöre eindrucksvoll miteinander verwoben. Dabei haben beide ihre eigenen, teilweise gegeneinander wirkenden Texte, die erst in der letzten Strophe zusammenfinden und schließlich den Abschied vom Leben gemeinsam verkünden.
Karin Rehnqvist – »Till Ängeln med de brinnande händerna«
»An den Engel mit den brennenden Händen« ist ein Werk, in dem eine Oboe (in dieser Aufführung eine Klarinette) dem ganzen Chor gegenübergestellt wird und trotz der ungleichen Verhältnisse standhalten muss. Das kann sie vor allem durch die sehr interessante Melodik, denn die instrumentale Solostimme hat die Komponistin Karin Rehnqvist mit vielen (sehr schwierig zu spielenden) Vierteltönen bedacht. Auch der Chor ist nicht ohne technische Herausforderungen, denn der Gesang ist an das nordeuropäische »Kuning« angelehnt, eine von Viehhirtinnen verwendete dem Jodeln ähnliche Gesangstechnik.
Eugène Ysaÿe – »Obsession – Prelude: Poco vivace« (1. Satz) aus der Violinsonate op. 27, No. 2 »Jacques Thibaud«
»Obsession« ist sehr eindrücklich in diesem Auszug aus Ysaÿes zweiter Violinensonate hörbar. Er stellt hier zwei Motive – beides Zitate – gegenüber: Den Beginn macht das fröhlich und heiter anmutende Thema aus Bachs Partita Nr. 3, das jäh von einem wilden Gegenmotiv unterbrochen wird. Darin wird der »Dies Irae« (»Tag des Zorns«) zitiert, ein Gesang aus der katholischen Totenmesse, der in der klassischen Musiktradition seit jeher als Kennzeichnung für den Tod verwendet wird. Zunächst ist er nur entfernt angedeutet, aber gegen Ende wird er dann in Gänze zitiert und dominiert vollständig die Musik.
Johannes Brahms – Intermezzo es-Moll aus »Sechs Klavierstücke« op. 118
Brahms war zeitlebens kein Freund oder Vertreter von Programmusik, also von Musik, der durch außermusikalische Texte Sinn oder Inhalt zugeschrieben wird. Das bedeutet im Umkehrschluss aber natürlich nicht, dass er auf innermusikalische Bedeutungszuweisungen verzichtete, wie im »Intermezzo« Nr. 6 aus den »Sechs Klavierstücken« zu sehen ist. Hier benutzt sehr präsent als zentralen Baustein der Melodie, genauso wie Ysaÿe, ein Zitat aus dem »Dies Irae«. Durch dieses Zitat ist dieses teils mysteriös-düstere, teils heroische Stück eine explizite Beschäftigung mit dem Sterben, zumal er nach der Komposition selber nur noch vier weitere Jahre lebte.
Nils Vigeland – »Two Songs of Czesław Miłosz«
An den Rand des Abgrunds führt der erste
der »Two Songs of Czeslaw Milosz« von Nils Vigeland. Hier werden zwei Gedichte des polnischen Dichters Czeslaw Milosz vertont, die von seinen Erfahrungen im Widerstand gegen die Besetzung durch die Nazis inspiriert wurden. Das zweite Lied »Recovery« führt dann textlich wieder aus der Katastrophe heraus, mehr aber als Hoffnung für die Zukunft.
Herbert Howells – »I heard a voice from heaven« aus dem »Requiem«
Als bedeutendster und fähigster Komponist der anglikanischen Kirchenmusik ist der Komponist Herbert Howell in Erinnerung geblieben. In seinem Requiem aus dem Jahr 1932 verwendet er dabei ausgesprochen moderne Kompositionsmethoden. Besonders die Clusterakkorde, also dissonante Zusammenklänge von meist sehr dicht beieinanderliegenden Tönen, sind eine sehr effektvolle Technik – die mittlerweile mit dem erst Jahrzente später wirkenden György Ligeti assoziiert wird – und die diesem Stück einen geradezu außerirdischen Klang verleihen.
Prince – »Purple Rain«
»Purple Rain«, das ist das Blut, das den Himmel verfärbt und das Ende der Welt verkündet. So hat es zumindest Prince selber dargestellt, nachdem viel über die Bedeutung dieses enorm populären Soundtracks für seinen gleichnamigen Film spekuliert wurde. Darin spielt der Sänger einen talentierten aber in persönlichen Schwierigkeiten steckenden jungen Musiker. Der Song stellt dabei den emotionalen Höhepunkt dar – nicht nur im Film, sondern auch in diesem Konzert.
Programmeinführung von Leander von Criegern