RundfunkchorLounge »Im Exil«

Heimathafen Neukölln

19.30 Uhr Heimathafen Neukölln Leider verpasst

Exilant:innen prägen Berlin seit Jahrhunderten. Und mit ihnen ihre Kulturen, ihre Kunst. Für Menschen, die ihre Heimat zurücklassen müssen oder vertrieben werden, ist ihr immaterielles Kulturgut oft das einzige, was ihnen bleibt. Gesänge, Geschmäcke, Klänge, Bilder und Gefühle – Speicher und Gedächtnis eines früheren Lebens. In der Fremde trifft das Mitgebrachte auf Neues, aber auch auf die existenzielle Erfahrung der Entfremdung und Unsicherheit. Unzählige Kunstwerke sind zutiefst geprägt von der Situation des Exils, seien es nun die Werke der jüdischen Künstler:innen, Schriftsteller:innen und Musiker:innen, die aufgrund der Verfolgung durch den Nationalsozialismus Deutschland den Rücken kehren mussten, oder die Kunst und Kultur derjenigen, die heute vor Kriegen in Syrien oder der Ukraine fliehen.

Ihnen, diesen Entwurzelten, und ihrer Kunst und Kultur widmen wir im Rahmen der vom neuen Berliner Exilmuseum veranstalteten „Tage des Exils“ einen Abend in unserer Lounge im Heimathafen Neukölln. Wie immer führt sie unsere wundervolle Moderatorin Boussa Thiam durch den Abend und natürlich sind wie immer die Mitglieder des Rundfunkchores Berlin dabei, sowie DJ Henning Specht, die für die entsprechende thematische musikalische Ausgestaltung des Abends sorgen.

Als Gesprächsgäste begrüßen wir Cornelia Vossen (Kuratorin der Stiftung Exilmuseum Berlin) und die Musikwissenschaftlerin Dr. Dörte Schmidt (Universität der Künste Berlin).

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Programmdetails

Programm

Alma Mahler-Werfel

»Die stille Stadt« aus Drei frühe Lieder
bearbeitet für Chor a cappella von Clytus Gottwald

Liedtext

Die stille Stadt.
Liegt eine Stadt im Tale,
ein blasser Tag vergeht;
es wird nicht lange dauern mehr,
bis weder Mond noch Sterne
nur Nacht am Himmel steht.

Von allen Bergen drücken
Nebel auf die Stadt;
es dringt kein Dach, nicht Hof noch Haus,
kein Laut aus ihrem Rauch heraus.

Da ging ein Lichtlein auf im Grund;
und aus dem Rauch und Nebel
begann ein Lobgesang
aus Kindermund.
O stille Stadt.

Alma Mahler-Werfel

»Bei dir ist es traut« aus Drei frühe Lieder
bearbeitet für Chor a cappella von Clytus Gottwald

Liedtext

Bei dir ist es traut,
zage Uhren schlagen wie aus alten Tagen,
komm mir ein Liebes sagen,
aber nur nicht laut!

Ein Tor geht irgendwo
draußen im Blütentreiben,
der Abend horcht an den Scheiben,
laß uns leise bleiben,
keiner weiß uns so!

Charlotte Schlesinger

Fünf Gesänge
Sopran – Gesine Nowakowski
Klavier – Philip Mayers

Liedtext

I.
Morgen, morgen wird es besser sein,
vielleicht bin ich tot,
vielleicht bin ich noch am Leben.
Meine Füße meine Hände schrein,
heute, heute soll vergangen sein.

Heute, heute, meine Not
soll das Morgen mir vergeben.
Morgen, morgen wird es besser sein,
vielleicht bin ich tot,
vielleicht bin ich noch am Leben.

II.
Es ziehn die Reihe lang Schatten vorüber,
blutlos, fahl, nicht Schritte und nicht Gang,
die Reihe lang, Schatten vorüber.

III.
Wie hell das Licht mir scheinet,
wie scheint das Licht so hell
die Straße auf und ab.
Und was ich bin und hab,
und was ich will und mag
und was ich denk und sag
ist hell wie dieses Licht
als hätt ich nie geweint,
ist Tag, ist heller Tag.

IV.
Was hör ich,
wer rief mich bei Tag
oder schlief ich,
o nicht doch wohin?
Wer weiß, ob ich bin.
Es war wohl nicht wer
nicht ich, doch woher
woher dieses Wehn,
wie soll ich's verstehn?

V.
Es ist aus tiefer Nacht
in mir der Tag erwacht.
Er löset meine Enge,
Gesänge, ach, Gesänge.
Heute!

Aus alten dunklen Gängen
erheb sich fernen Schalles
Dieses, Eines, Alles.

Und ich ein Klang von Klängen,
Gesängen, ach Gesängen,
Heute!

Hanns Eisler

Tagebuch des Hanns Eisler op. 9
Sopran – Gesine Nowakowski
Mezzosopran – Christine Lichtenberg
Alt – Jiwon Choi
Tenor – Peter Ewald
Violine – Sonja Starke
Klavier – Philip Mayers

Liedtext

I. TEIL

Allegretto
Es ist unmöglich, ganz allein
in einer fremden Stadt zu sein.
Ja, der Alt hat recht!
Es ist unmöglich!
Unmöglich!
Ist man aber doch zu zwei'n,
kann man sich viel besser freu'n.

Tema con variazioni
für Sologeige

Regen
Die ganze Welt ist eine kalte Douche,
vor der ich hundserbärmlich kusche!
Wie soll ich mich dabei trocken bewahren?
Was soll ich tun, damit ich nicht zerplatze?
Es trieft das Nass aus meinen langen Haaren.
Es trieft das Nass von meiner Glatze.

Intermezzo Nr. 1

Im Badezimmer
Wenn man sitzt im warmen Bad,
ist das Leben leicht!
Man muss sich munter fühlen
und sich kalt abkühlen.

II. TEIL

Introduktion

Ruhe
Ein bisschen Ruhe schadet nicht,
lächelnd sage ich dir's ins Gesicht.
Wir sind Kannibalen der Liebe,
ach wie ist das trübe!

Intermezzo Nr. 2

Depression
Wenn man ein dummer schlechter Bürgerknabe ist:
O wie alles hässlich ist!
Wenn ich einst geh' zur ewigen Ruh',
deckt mich mit Notenpapieren zu!

III. TEIL

Guter Rat
Liebes Kind, sei doch nicht so niedergeschagen!
Traure doch nicht mit so viel Behagen;
sprich nicht so viel von deinem Leid
in dieser verdammt interessanten Zeit!
Frisch sein!
Die Augen auf statt zu!
Sonst decken wir dich heute noch mit Notenpapieren zu!

Bemerkung über das Reisen
Das Reisen kann nicht schön sein, reist man allein.
Sitzt man erst in der Eisenbahn,
fängt das Leben leider an!

Vor- und Rückblick
In dreieinhalb Jahren
werden wir's gerne erfahren:
Ob es unmöglich ist, allein
in einer fremden Stadt zu sein.
Ob die ganze Welt eine kalte Douche ist
und das Leben wirklich so schrecklich ist.
Hoffentlich sind wir nicht steinalt,
runzlig, eiskalt!

Erich Zeisl

Banger Abend
für gemischten Chor a capella mit Sopran-Solo

Sopran – Gesine Nowakowski

Liedtext

Nacht neigt sich auf die Gassen;
Ich fühl mich so verlassen,
Bin nirgendwo zu Haus.
Die Zimmer werden helle;
Mir winkt hier keine Schwelle,
Ich geh zum kleinen Flusse hinaus,
bin nirgendwo zu Haus.

Sein Fließen ist so leise;
Im weiten Wiesenkreise
Liegt graue Stummheit schwer.
Ich seh mein Leben fließen:
Flach zwischen fahlen Wiesen
Verrinnt es in ein tiefes graues Meer.

Nacht neigt sich auf die Gassen;
Ich fühl mich so verlassen,
Bin nirgendwo zu Haus.

Erich Zeisl

Am Abend
für gemischten Chor a capella

Liedtext

Abermal ein Teil vom Jahre,
abermal ein Tag vollbracht:
Abermal ein Schritt zur Bahre
und ein Schritt zur Gruft gemacht.

Also nähert sich die Zeit
nach und nach der Ewigkeit;
Also müssen wir auf Erden
zu dem Tode reifer werden.

Erich Zeisl

In tiefem Schlummer
für gemischten Chor a capella

Liedtext

In tiefem Schlummer liegt die Welt,
liegt Berg und Tal und Flur und Feld
und alles was auf Erden lebt.

Der Bienen Volk, des Waldes Heer
und was da haust im dunklen Meer
und was da hoch in Lüften schwebt,
liegt alles nun in tiefer Ruh.

Kurt Weill

7 Stücke nach der »Dreigroschenoper«:

III. Shimmy Tempo (Ballade vom angenehmen Leben)
IV. Andante con moto (Polly's Lied)
V. Tango Tempo (Zuhälterballade)
VII. Foxtrot-Tempo (Kanonensong)
bearbeitet für Violine und Klavier von Stefan Frenkel

Violine – Sonja Starke
Klavier – Philip Mayers

Hanns Eisler

Hollywood-Elegien

1. Unter den grünen Pfefferbäumen
2. Die Stadt ist nach den Engeln genannt
3. Jeden Morgen, mein Brot zu verdienen
4. Diese Stadt hat mich belehrt
5. In den Hügeln wird Gold gefunden
Bariton – Georg Streuber
Klavier – Philip Mayers

Liedtext

1. Unter den grünen Pfefferbäumen  

Unter den grünen Pfefferbäumen
Gehn die Musiker auf den Strich, zwei und zwei
Mit den Schreibern. Bach
Hat ein Strichquartett im Täschen. Dante schwenkt
Den dürren Hintern.

2. Die Stadt

Die Stadt ist nach den Engeln genannt
Und man begegnet allenthalben Engeln.
Sie riechen nach Öl und tragen goldene Pessare
Und mit blauen Ringen um die Augen
Füttern sie allmorgenlich die Schreiber in ihren Schwimmpfühlen.

3. Jeden Morgen

Jeden Morgen, mein Brot zu verdienen
Geh ich auf den Markt, wo Lügen verkauft werden.
Hoffnungsvoll
Reihe ich mich ein unter die Verkäufer.

4. Hollywood

Diese Stadt hat mich belehrt,
Paradies und Hölle
können eine Stadt sein.
Für die Mittellosen
ist das Paradies die Hölle.

5. In den Hügeln  

In den Hügeln wird Gold gefunden,
an der Küste findet man Öl.
Größere Vermögen
bringen die Träume von Glück,
die man hier auf Zelluloid schreibt.

Friedrich Hollaender

An allem sind die Juden schuld
Arr.: Philip Mayers

Liedtext

Ob es regnet, ob es hagelt,
Ob es schneit oder ob es blitzt
Ob es dämmert, ob es donnert,
Ob es friert oder ob de schwitzt,
Ob es schön ist, ob’s bewölkt ist,
Ob es taut oder ob es gießt,
Ob es rieselt, ob es nieselt,
Ob du hustest, ob de niest:

An allem sind die Juden schuld!
Die Juden sind an allem schuld!
Wieso, warum sind sie dran schuld?
Kind, das verstehste nicht, sie sind dran schuld!
Und sie mich auch! Sie sind dran schuld!
Die Juden sind, sie sind und sind dran schuld!
Und sie mich auch!
Und glaubste’s nicht, sind sie dran schuld,
An allem, allem sind die Juden schuld!
Ach so!

Ob das Telefon besetzt ist,
Ob die Badewanne leckt,
Ob dein Einkommen falsch geschätzt ist,
Ob die Wurst nach Seife schmeckt,
Ob am Sonntag nicht gebacken,
Ob der Prince of Wales doch schwul,
Ob bei Nacht de Möbel knacken,
Ob dein Hund ‘nen harten Stuhl.

Ob der Lindner dich versteuert,
Ob Johnny Depp mit Amber Heard,
Ob Viagra sich verteuert,
Ob das Gendersternchen stört:

An allem sind die Juden schuld!
Die Juden sind an allem schuld!
Wieso, warum sind sie dran schuld?
Kind, das verstehste nicht, sie sind dran schuld!
Und sie mich auch! Sie sind dran schuld!
Und sie mich auch.
Sie sind, die Juden sind dran schuld dran schuld!
Und glaubste’s nicht, sind sie dran schuld,
An allem, allem sind die Juden schuld!

Dass der Schnee so furchtbar weiß ist
Und dazu, was sagt man, kalt,
Dass dagegen Feuer heiß ist
Und dass Bäume stehn im Wald,
Dass ‘ne Rose keine Zwiebel
Und dass Schabefleisch geschabt
Dass der Heine gar nicht übel
Und dass der Einstein ganz begabt:

An allem sind die Juden schuld!
Die Juden sind an allem schuld!
Wieso, warum sind sie dran schuld?
Kind, das verstehste nicht, sie sind dran schuld!
Und sie mich auch! Sie sind dran schuld!
Die Juden sind, sie sind dran schuld!
Und glaubste’s nicht, sind sie dran schuld,
An allem, allem sind die Juden schuld!

Friedrich Hollaender

Falling in love again
Arr.: Philip Mayers

Solo – Christine Lichtenberg

Liedtext

Ich bin von Kopf bis Fuß
Auf Liebe eingestellt,
Denn das ist meine Welt.
Und sonst gar nichts.
Das ist, was soll ich machen,
Meine Natur,
Ich kann halt lieben nur
Und sonst gar nichts.

Männer umschwirr'n mich,
Wie Motten um das Licht.
Und wenn sie verbrennen,
Ja dafür kann ich nicht.
Ich bin von Kopf bis Fuß
Auf Liebe eingestellt,
Denn das ist meine Welt.
Und sonst gar nichts.

I often stop and wonder
Why I appeal to men,
How many times I blunder
In love and out again.
They offer me devotion,
I like it I confess
When I reflect emotion,
There's no need to guess.

I'm falling in love again
Never wanted to
What am I to do?
I can't help it!

Love's always been my game
Play it how I may
I was made that way
I can't help it!

Men cluster to me like moths around a flame
And if their wings burn, I know I'm not to blame.

I'm falling in love again
Never wanted to
What am I to do?
I can't help it!

Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt!

Friedrich Hollaender

The ruins of Berlin
Arr.: Philip Mayers

Sopran-Solo – Gesine Nowakowski
Mezzosopran-Solo – Christine Lichtenberg
Alt-Solo – Jiwon Choi
Tenor-Solo – Peter Ewald
Bass-Solo – Georg Streuber
Violine – Sonja Starke
Klavier – Philip Mayers

Liedtext

Amidst the ruins of Berlin
Trees are in bloom as they have never been.
Sometimes at night you feel in all your sorrow
A perfume as of a sweet tomorrow.

That's when you realize at last
They won't return – the phantoms of the past
A brand new spring is to begin
Out of the ruins of Berlin!

Dans les ruines de Berlin
Les arbr'en fleurs
parfument ton chemin.

I na razvalinakh Berlina
Nachnotsya novaya vesna.

In den Ruinen von Berlin,
fangen die Blumen wieder an zu blühn.
Und in der Nacht spürst du von allen Seiten
einen Duft als wie aus alten Zeiten.
Die Melodie, sie spricht ganz klar
von einer Welt, wie sie verloren war.
Du siehst den Frühling wieder blühn
in den Ruinen von Berlin.

Location

Heimathafen Neukölln

Der Heimathafen Neukölln ist seit 2009 ein etablierter Ort für kulturelle Veranstaltungen in Berlin. Von Theateraufführungen über Konzerte bis hin zu politischen Debatten bietet das Haus im Herzen von Neukölln dem Publikum ein vielseitiges Programm. Der einst von einem Kollektiv aus zehn Frauen gegründete Heimathafen begreift sich selbst als "Untersuchungsraum" für die unterschiedlichsten Formate. Damit ist er der ideale Ort für unsere RundfunkchorLounges, die nicht nur mit überraschenden musikalische Elementen begeistern, sondern darüber hinaus auch Raum für anregende Gespräche bieten.

Projekt

RundfunkchorLounge: was ist das eigentlich?

Vokalmusik und anregende Diskussionen in entspannter Atmosphäre: Die RundfunkchorLounge geht in die nächste Saison.

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