Interviews

Auf ein Wort mit Boussa Thiam

Boussa Thiam engagiert sich seit 2003 als Moderatorin, Reporterin und Journalistin für die Themen Kultur, Politik, Musik, Nachhaltigkeit, Design, Diversität und female Empowerment.

In der neuen Konzertsaison wird sie bei den Rundfunkchor Lounges im Heimathafen Neukölln die Moderation übernehmen und das Publikum durch drei besondere Abende führen.

Im Interview sprechen wir mit ihr über ihre Arbeit als Entertainerin, über die Zukunft von Konzertformaten und ihre Heimatstadt Berlin.

Das Thema der ersten Rundfunkchor Lounge in dieser Saison lautet „Coming to Berlin“. Neben Bach und Busoni erklingt auch Musik von David Bowie. Was genau erwartet die Zuhörer:innen eigentlich im Heimathafen Neukölln?

Ich glaube, das wird einfach ein wahnsinnig spannender, moderner und intensiver Abend. Mit Chefdirigent Gijs Leenaars spreche ich über die Auswahl der Musikstücke, die allesamt von Komponist:innen stammen, die in Berlin ihr privates oder künstlerisches Glück gesucht haben.

Mit Taner Akyol, der an der UdK einen Lehrauftrag für die anatolische Laute Baglama hat, werde ich ein Gespräch über seine Arbeit als Komponist führen und er wird uns ein bisschen zeigen, wie sein Instrument klingt. Das ist ein traditionelles, sehr, sehr schönes und auch leises Instrument. Ich kann mir vorstellen, dass es eine sinnliche und schöne Erfahrung sein wird, sich damit auseinanderzusetzen und das im Zusammenspiel mit dem Chor. Da freue ich mich drauf!

Und David Bowie, das ist lustig, ich bin selbst auch Schönebergerin. Ich war letztens zufällig in der Goldstraße. Da soll Bowie ja gerne mal ins Cafe M gegangen sein. Genau in dem saß ich und habe mich an sein letztes Album erinnert, das sehr düster und schwer ist. Er hat darin eigentlich schon ein bisschen mit dem Tod gespielt. Wir werden einen spannenden und tiefsinnigen Abend erleben, der geprägt ist von sehr verschiedenen musikalischen Interpreten.

Es ist ja schon ein bisschen angeklungen, dass sich bei den Lounges E- und U-Musik mischen und es eine offenere Konzertveranstaltung ist, als man es vielleicht klassischer Weise kennt. Die Lounges sind ja also ganz bewusst dazu gedacht, Leute einzuladen, die bisher vielleicht keinen Zugang zu klassischer Musik haben. Glaubst du, dass es in Zukunft mehr dieser Formate geben sollte?

Ja, klar. Ich finde die Begriffe E- und U-Musik sowieso schwierig. Das suggeriert immer ein bisschen, dass die ernste Musik die gute Musik, ist, die für Qualität steht, die auch etwas intellektuelles hat, weil man sich das Ganze über Noten erschließen muss. Und bei U-Musik, da denkt man irgendwie gleich an Dieter Bohlen und Helene Fischer. Da würde ich zwar sagen: Das ist auch nicht unbedingt meins. Aber grundsätzlich hat ja auch Pop-Musik ganz viel Vielschichtigkeit und Tiefsinn. Deshalb finde ich es quatsch, dass man da so differenziert. Das ist auch das, was wir bei der Lounge versuchen zu transportieren, dass sich die Musiken nicht ausschließen. Es gibt ganz viele Interpret:innen aus dem Pop, die sich von klassischer Musik inspirieren lassen, die zum Beispiel Stücke von Beethoven gesampelt und neu aufgearbeitet haben. Wenn so etwas gut gemacht ist, dann finde ich das großartig!

Und ein Popmusiker wie David Bowie, der ja auch als Person für Vielschichtigkeit stand, passt nun gut zu Berlin und den Debatten, die wir über Gender führen. Ich glaube, oder hoffe zumindest, dass die Lounges den Menschen Zugang bieten, die vielleicht bisher nicht so viel mit klassischer Musik zu tun hatten. Dass die sich vielleicht sagen: „Ah, guck mal, das ist im Heimathafen Neukölln!“ Denn das ist eine kulturell vielfältige, offene Institution, die niedrigschwellig ist. Es fühlt sich nicht so an, als würde man in die Philharmonie gehen und müsste einen Anzug anziehen, sondern man kann auch einfach mit seinen Turnschuhen und seiner Jeans dorthin kommen.

Gleichzeitig hoffe ich aber auch, dass die Menschen, die sonst vielleicht eher in die Opernhäuser gehen, offen sind, zu erfahren, wie Musik in einem anderen Haus klingt. Denn der Heimathafen Neukölln hat natürlich eine andere Akustik, die aber, meines Erachtens, wunderschön ist.

Als Journalistin, Entertainerin und Moderatorin hast du ja viel Erfahrung darin, ein Publikum durch einen Abend zu begleiten. Wie bereitest du dich in der Regel auf eine Veranstaltung vor?

Vorbereitung ist alles. Ohne Vorbereitung kann man schnell ins Schwimmen geraten. Natürlich kann man sich ein bisschen auf seine Tools, auf sein Handwerk verlassen, aber das würde ich niemandem empfehlen. Ich gehe sehr akribisch und sorgfältig an meine Aufgaben und arbeite mich durch die Komponisten, die Stücke, das Ensemble und den Ablauf. Ich weiß genau, an welcher Stelle ich was sage und wie ich das Publikum empfange. Das hat bei der Lounge nochmal eine andere Ebene, weil das Ganze auch noch von Deutschlandfunk Kultur, wo ich zufällig auch arbeite, übertragen wird. Also bespiele ich sozusagen zwei Publika. Einmal die Hörer:innen, die das dann an dem Abend im Radio hören und gleichzeitig auch das Live-Publikum. Aber ich glaube, dass es mir gelingen wird, beide mitzunehmen. Ein Trick ist zum Beispiel, alles zu veranschaulichen, also genau zu erklären, wo man sich befindet, wie der Ort aussieht. Es entstehen bei den Rezipient:innen immer Bilder im Kopf, und es ist gut, wenn man das ein bisschen auffängt und einordnet, sich dann aber gleichzeitig auch dem Ort widmet, in die Tiefe geht und versucht, das Publikum zu erreichen.

Was ist für dich das wichtigste an einem gelungenen Konzertabend?

In erster Linie ist das schon die Musik!

Und bei der Lounge sehe ich mich tatsächlich eher als ein kleines Bindeglied, das den roten Faden spinnt und erklärt, was jetzt als nächstes passiert, welcher Komponist oder welche Komponistin zu hören ist und die Werke vielleicht ein bisschen biografisch einordnet, auch mit Blick auf unser Thema „Coming to Berlin“. Aber Allem voran geht es natürlich darum, einfach die wunderbare Musik und den fantastischen Chor zu erleben.

Der Abend widmet sich dem Einfluss der Menschen, die nach Berlin kommen und unsere Hauptstadt zu einer vielfältigen Metropole machen. Als Berlinerin: Was begeistert Dich an Deiner Heimatstadt?

Gar nicht mehr so viel. Nein Spaß. Das ist immer eine schwierige Frage. Ich habe vier Jahre in Frankfurt gearbeitet, beim hessischen Rundfunk, und da hatte ich das Gefühl, dass Viele dachten „Sie kommt aus der coolen Hauptstadt“ und wir sind „nur“ die Frankfurter. Ich habe das nicht verstanden, ich hab keinen Stolz auf meine Stadt und ich finde Stolz auf eine Herkunft sowieso schwierig.

Davon mal abgesehen war Berlin gut für mich. Ich hatte Glück, weil ich damals nicht so stark mit Rassismus konfrontiert war, wie es vielleicht in andern Teilen Deutschlands der Fall gewesen wäre. Durch das Anwerbeabkommen, das jetzt, glaube ich, 60 Jahre alt ist, existierte schon immer eine sehr große Community an Gastarbeiter:innen. Und so gab es, als ich in die Grundschule ging und später in die Oberschule, Menschen ganz vieler verschiedener Kulturen, mit anderem ethnischen Hintergrund oder mit Migrationsgeschichte. Das hat sich für mich sehr homogen angefühlt. Das ist ein Vorteil, oder ein Privileg fast, das ich genossen habe und das ich auch nach wie vor in Berlin spüre.

Hat sich die Stadt Deiner Meinung nach in den letzten 30 Jahren sehr verändert und wenn ja, wie?

Berlin ist einfach eine offene Stadt, es ist immer noch eine künstlerische Stadt. Auch wenn es zu einer starken Gentrifizierung gekommen ist und man manchmal das Gefühl hat, da schaffen die Leute nicht mehr, ihre Kunst zu leben. Sie werden aus ihren Häusern oder Wohnungen vertrieben und es ziehen irgendwelche Startups ein. Es gibt schon einen Wandel, den ich kritisch hinterfrage, aber nach wie vor ist Berlin, glaube ich, eine Stadt, in der man sich relativ frei fühlen kann.

Ich finde neue Architektur ist manchmal fragwürdig. Klar, wir brauchen mehr Wohnungen. Es gibt einfach immer mehr Menschen, die in urbane Städte ziehen möchten, das ist alles richtig und wichtig. Aber wenn ich zum Beispiel aus meiner Wohnung schaue, da hatte ich immer so eine große freie Sicht auf Bäume. Da steht jetzt seit kurzer Zeit ein Haus mit kleinen Fenstern. Teilweise ist Berlin einfach nicht mehr ganz so charmant, wie es noch in den Nuller-Jahren oder 90ern war. Klar kann man auch sagen: Ist doch schön, überall wird saniert. Aber diese ewige Baustelle, die Berlin seit gefühlt 25 Jahren ist – das ist schon manchmal nervig.

Du machst ja selbst seit vielen Jahren Musik, spielst Klavier und Gitarre und singst. Was verbindest du persönlich mit Musik und Chormusik?

Angefangen habe ich mit Klavierunterricht. Tatsächlich habe ich auch immer noch Musikunterricht und versuche, wenn ich Zeit habe, zu meiner Lehrerin zu gehen. Die schimpft oft mit mir, weil ich einfach nicht mehr so gut spiele, wie vor 15 Jahren. Das heißt ich zwinge mich noch ab und an dazu, Grieg oder Chopin oder Gershwin zu spielen, also doch eher komplexere Stücke, die ich damals mit 15 sehr gut konnte. Wenn man etwas einstudiert hat, dann haben die Finger das Stück gelernt, man muss nur ein bisschen trainieren und dann kommt es wieder.

Als ich aufs Gymnasium kam, hatte ich auch mal eine Phase, wo ich mit anderen jungen Mädchen zusammen in einem Quartett Gesungen habe. Da ging es vor allem um Harmonie.

Im Musik Leistungskurs, da haben wir mit Chormusik gearbeitet und uns als Ensemble zusammengestellt. Da haben wir aber mehr in Richtung Musical-Musik gesungen.

So ein Merkmal von einem Chor ist natürlich seine Stärke an sich. Es sind sehr viele Menschen, die einen großen Klangkörper, einen großen Raum, erzeugen. Toll ist, wenn ein Chor es schafft, durch Stimmen und verschiedene Harmonien eine tiefe Vibration zu erzeugen. An meiner Musikschule steht einen Spruch von Niezsche: Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum. Und ich finde, das trifft auf Chormusik und Musik im Allgemeinen zu. Sie ist essenziell!

Und noch eine letzte Frage, die wir allen unseren Interviewpartner*innen stellen:  Was hörst Du privat für Musik?

Ich habe einen ausgesuchten Musikgeschmack, so viel schon mal vorweg! Ich fange mal umgekehrt an, sozusagen im Ausschlussverfahren: Ich höre keine Schlager und ich höre kein Death Metal, das ist etwas, das ich überhaupt nicht verstehe. Ansonsten habe ich aber einen relativ breiten Musikgeschmack. Ich mag Klassik, zuletzt habe ich viel Rachmaninov gehört, weil mir das einfach gut tut. Dann höre ich Jazz-Musik, da gibt es die Klassiker: Miles Davis, Coltrane, Thelonius Monk, aber ich mag zum Beispiel auch den Amapiano Sound. Das ist so ein Genre aus Südafrika, oder auch Nigeria, das gerade so ein bisschen rüberschwappt. Viele Musiker:innen bedienen sich dieser Stilrichtung. Man könnte jetzt auch von kultureller Aneignung sprechen. Aktuell findet ja eine Debatte über den neuen Song von Peter Fox statt. Das finde ich gut, so lernt der Mainstream, woher diese Stilrichtung kommt und rückt auch die Musiker:innen in den Fokus, die diese Musik kreiert haben. Aber, ich Feier auch „Zukunft Pink“!

Auch elektronische Musik finde ich spannend, genauso Arnold Schönberg, der ja eher ein Komponist der modernen klassischen Musik ist. Aber es gibt auch popkulturell gute Musik: Es gibt fantastischen Soul aus den 50ern, oder Retro-Soul von Amy Whinehouse.

Ich muss natürlich auch Prince dazu tun und eigentlich auch ein paar mehr Frauen. Da fällt mir gerade ein: Kennst du Ibeyi? Das ist so ein französisch-kubanisches Geschwister-Duo. Die singen sehr schön und haben eine tolle Melancholie in ihrer Musik. Das ist ungefähr die Bandbreite an Genres, die ich höre.

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