Blut, Sand, Steine: In Lars Scheibners Inszenierung von MacMillans »Johannes-Passion« (2009) wird die Passionsgeschichte sinnlich erfahrbar.
Nach Johann Sebastian Bach noch einmal eine Johannes-Passion zu schreiben, ist ein Wagnis. Der schottische Komponist James MacMillan (geb. 1959) versucht nicht, dem großen Vorbild auszuweichen. Im Gegenteil, er beruft sich darauf, interpretiert aber die gestalterischen Elemente neu.
Die Evangelisten-Partie wird einem vierstimmigen Erzähler-Ensemble übertragen. Nur die Figur des Christus ist solistisch besetzt, alle anderen liegen beim Chor. Bachs Choräle hingegen ersetzt MacMillan durch kommentierende Chorsätze am Ende eines jeden der neun Vokalsätze seiner Passion. Mit einem Instrumental-Epilog schließt das Werk ab.
Der Choreograf Lars Scheibner stellt auf einem schmalen »Kreuzweg« vor dem Orchesterpodium dem einzigen Solisten einen Tänzer gegenüber. Dadurch wird die doppelte Natur Jesu in Szene gesetzt, die Dualitäten Mensch-Gott, Körper-Geist, Erniedrigter-Triumphierender. Die Medien Orchesterklang, menschliche Stimme und menschlicher Körper treffen auf die Materialien Erde, Stein und Holz: Erde steht für die Erschaffung des Körpers, Stein für den Kreuzweg, Holz für das Kreuz. So wird die Substanz der Passionsgeschichte sinnlich erfahrbar.