Eine Oper für Chor: In »Angst« von Christian Jost ist der Chor der Handlungsträger. Um die Rolle des Chores im Musiktheater neu zu definieren, vergab der Rundfunkchor Berlin einen Kompositionsauftrag an Christian Jost.
Der 1963 geborene Komponist wählte als Thema für seine dritte Oper eine Bergsteiger-Tragödie, die sich 1985 in den peruanischen Anden ereignete: Um sein eigenes Leben zu retten, muss ein britischer Alpinist das verbindende Seil kappen und seinen verletzten Kameraden zurücklassen.
Die Dramatik der Katastrophe liegt weniger im äußeren Geschehen als vielmehr im Innern der Protagonisten. Ihre widerstreitenden Gedanken und Gefühlen, ihre Gewissenskonflikte lassen sich durch einen Chor darstellen. Er verkörpert das »singende Gedankenspiel«, die Psychodynamik: »Für mich war das der Ansatz:«, erläutert Jost, »diese Vielfalt der Stimmen innerhalb eines Körpers zum Klingen, zum Tragen, zum Singen zu bringen.«
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Dabei wird Angst aus verschiedenen Blickwickeln beleuchtet: dramatisch in der Innenspiegelung der alpinen Gefahrensituation, dichterisch in der Verarbeitung durch Hölderlin, wissenschaftlich durch die Beschreibung neurophysiologischer Prozesse, dokumentarisch unter Rückgriff auf Erinnerungen von Folteropfern. Die musikalische Reise ins Innere legt zusätzliche Schichten frei, die kausal nicht immer leicht zu verknüpfen sind und doch innerhalb eines komplexen Systems ineinandergreifen.
Nach der erfolgreichen Uraufführung 2006 beim UltraSchall-Festival übernahm die Komische Oper Berlin das Werk 2009 in ihren Spielplan, neu inszeniert von Jasmina Hadžiahmetović.