Nachtwache: Für Taveners »The Veil of the Temple« verbrachten die Zuschauer eine ganze Nacht im Berliner Museum für Gegenwartskunst.
»The Veil of the Temple« (2002) ist ein kulturübergreifendes Riesenwerk: Die gigantische Partitur sprengt jeden vorstellbaren Rahmen. Beteiligt sind fünf Chöre und ungewöhnliche Instrumente, das Libretto bedient sich aus Texten aller Weltreligionen. Die Aufführungsdauer beträgt rund sieben Stunden.
Für die deutsche Erstaufführung im Jahr 2007 arbeitete der Rundfunkchor Berlin mit dem niederländischen Regisseur Rogier Hardeman zusammen. Er inszenierte »The Veil of the Temple« zwischen zeitgenössischen Kunstwerken im Hamburger Bahnhof, dem Berliner Museum für Gegenwartskunst. Taveners Werk ist für sakrale Räume konzipiert, doch nicht darauf beschränkt. »The Veil« erkundet ganz allgemein die Erfahrung der Transzendenz und fragt, welche Rolle religiöse Traditionen bei der Suche nach ihr spielen. Ähnliche Themen finden sich in der zeitgenössischen Kunst.
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Die Aufführung begann am späten Abend und dauerte bis zum Sonnenaufgang. Die Zuschauer konnten sich frei bewegen, sie lehnten an den Wänden, saßen oder lagen auf dem Boden. Sie konnten den Aufführungssaal frei betreten und verlassen, durch die Ausstellungssäle streifen, das Restaurant besuchen oder sich in speziellen Ruheräumen ausruhen. Die Inszenierung zog den Körper des Zuschauers mit ein: seine Empfindungsfähigkeit, seine Begrenztheit, seine Beziehung zum Raum, zu den Mitmenschen, zur Zeit und zur Dauer.
Die Regisseurin Silvia Beck hat diese einzigartige Aufführung in der Fernsehdokumentation »The Veil of the Temple – Reise ans Ende der Nacht« eingefangen (ein Film von Silvia Beck in Zusammenarbeit mit Boomtown Media, roc Berlin und RBB, 2009).