Iannis Xenakis, Bernd Alois Zimmermann, Luigi Dallapiccola – unser Saisonauftakt mit Kirill Petrenko und den Berliner Philharmonikern taucht mit Haut und Haar in die europäische Nachkriegsmoderne ein. Er ermöglicht einen schlaglichtartigen Blick auf das abwechslungsreiche musikalische Schaffen dieser Epoche – nicht zuletzt darauf, wie die Musik auf die existenzielle Erfahrung des Zweiten Weltkrieges reagiert hat. Den Anfang dieses präzise zusammengestellten Programms macht Xenakis’ »Empreintes«, eine beeindruckende Komposition aus dem Jahr 1975, die von einer seltsam flirrenden Ruhe geprägt ist. Das architektonisch-räumliche Denken des griechischen Komponisten kommt hier deutlich zum Tragen.
Anschließend folgt mit der Sinfonie in einem Satz (2. Fassung) ein frühes Werk Zimmermanns, das in dieser Fassung 1953 uraufgeführt wurde. Der Kölner Komponist, dessen Werk ähnlich wie das von Xenakis, wenngleich aus ganz anderer Richtung, immer etwas quer zu den Dogmen der Neuen Musik stand, verdichtete hierfür die Sinfonieform auf eine knappe Viertelstunde. Auf engstem Raum schwingt sich die Musik hier »in großen Bögen von apokalyptischer Bedrohung zu meditativer Versenkung«, wie Zimmermann es selbst ausdrückte.
Das Herzstück des Abends aber stellt zweifelsohne der Einakter »Il prigioniero« von Dallapiccola dar, dem ersten italienischen Komponisten, der sich der Zwölftontechnik bediente. Diese 1948 uraufgeführte Oper entwickelt sich thematisch entlang der Dialektik von Hoffnung und Verzweiflung. Es ist ein Werk, das unmittelbar unter dem Eindruck des Zweiten Weltkriegs entstand. Geprägt von tiefer Trauer und einer gewissen Ausweglosigkeit, ist es eines der zentralen politischen Stücke der europäischen Nachkriegsmusik. Auch beinahe 80 Jahre nach seinem Entstehen hat es nichts von seiner Aktualität eingebüßt.