Dass auch Chormusik am Puls der Zeit sein kann, beweist Brett Deans »soziologische Kantate« »Vexations and Devotions«, die 2006 im westaustralischen Perth ihre Uraufführung erlebte. Ausgangspunkt der Komposition sind Bilder und Texte des australischen Künstlers und Philosophen Michael Leunig, der das Dilemma unserer Zeit so auf den Punkt bringt: »Der menschliche Geist kann zwar große Katastrophen und tragische Ereignisse überleben und am Ende sogar gestärkt aus ihnen hervorgehen, doch was dann letztlich einen Schutthaufen aus ihm macht, sind die erbarmungslosen, gleichgültigen und quälenden Banalitäten des modernen Lebens, dem wir uns fatalerweise angepasst haben.« Deans dreisätziges Werk ist zugleich Spott- und Klagelied über die Auswüchse der Digitalisierung und die Deformation der Sprache im Informationszeitalter. Es ist ein hochkomplexes, stilistisch vielschichtiges Werk mit viel abgründigem Humor – etwa wenn der Kinderchor plötzlich Warteschleifenmelodien intoniert.
Der 1961 im australischen Brisbane geborene Brett Dean gehört zu den erfolgreichsten zeitgenössischen Komponisten; er hat Auftragswerke für uns, die Berliner Philharmoniker, das Concertgebouworkest, das Lucerne Festival und andere geschrieben und inzwischen auch eine Oper. 15 Jahre gehörte er als Bratscher den Berliner Philharmonikern an, bis heute lebt er überwiegend in Berlin.