Josef Suks sinfonisches Poem »Lebensreife« ist außerhalb der tschechischen Heimat des Komponisten nur selten zu hören. Dabei hat man es, ganz dem Titel entsprechend, mit einem hochkomplexen, vielschichtigen und vor allem beeindruckend reflektierten Werk zu tun. Suk begreift darin das Werden, Reifen und Vergehen der Natur als umfassendes Sinnbild für das Leben des Menschen. Er erzählt von den Freuden der Jugend und der Liebe ebenso wie von Tod, Trauer und Vergänglichkeit, von Schicksalsschlägen genauso wie von Versöhnung und Trost.
Entstanden über den langen Zeitraum von insgesamt fünf Jahren zwischen 1912 und 1917 – und damit annähernd parallel zum Ersten Weltkrieg, jenem grausamen Geburtshelfer der Moderne – ist dieses Stück nicht nur gekennzeichnet von tiefen existenziellen Gefühlen, sondern liefert zudem ein künstlerisches Dokument einer intensiven Übergangszeit und eines Aufbruchs in die Epoche der Moderne, die sich musikalisch in annähernd bitonalen Strukturen, in der Wandlungsfähigkeit und den gewaltigen dramatischen Steigerungen abzeichnet.
Mit Johannes Brahms’ »Klavierkonzert Nr. 2« steht an diesem Abend mit Kirill Petrenko am Pult und Sir András Schiff am Klavier ein weiteres, ungleich häufiger gespieltes Werk auf dem Programm. Mit seiner damals innovativen Neudeutung des Verhältnisses von Orchester und Solostimme nicht als konzertantem Wettstreit, sondern im Sinne einer sinfonischen Ergänzung präsentiert es Brahms auf den Höhepunkt seines Schaffens.