Interviews
Auf ein Wort mit Petra Leipert
Die Sopranistin Petra Leipert ist seit 1987 Mitglied im Rundfunkchor Berlin. Schon als Kind war sie als Chorsängerin und Solistin in Funk und Fernsehen zu hören, lieh unter anderem dem Sandmännchen ihre Stimme. Im Gespräch erklärt sie, was das Besondere an Beethovens »Missa solemnis« ist und warum sie so gerne im Rundfunkchor Berlin singt.
Am 6. Oktober singt der Rundfunkchor Berlin Beethovens »Missa solemnis« im Konzerthaus Berlin. Was ist für dich persönlich die größte Herausforderung an diesem Stück?
Beethoven hat die Eigenschaft, sehr extrem zu komponieren: Wir singen sehr viel forte und gerade im Sopran sind viele Stellen wahnsinnig hoch notiert. Es gibt dann oft sehr lange Passagen, in denen beides gleichzeitig verlangt wird: laut und hoch singen. Es gibt zugleich aber auch ganz filigrane Teile, die wiederum sehr hoch und leise sind – die Kontraste in den einzelnen Sätzen sind enorm. Und wir stehen vor der Aufgabe, die Übergänge zwischen diesen Extremen auszugestalten. Darauf muss man gut vorbereitet sein. Dazu kommt, dass der Chor kaum Verschnaufpausen hat, weil er eigentlich die ganze Zeit gefordert ist. Aber es ist auch ein Stück, in dem wir wirklich zeigen können, was wir drauf haben. Ich freue mich sehr darauf!
Du hast die »Missa« ja schon etliche Male mit dem Rundfunkchor Berlin gesungen. Ist dir eine Aufführung besonders in Erinnerung geblieben?
Ja, ich kann gar nicht genau sagen wie oft. Aber ich erinnere mich, dass wir sie 1994 mit Sir Georg Solti in Salzburg gesungen haben. Er war ja ein Verfechter großer, tragender Interpretationen. Aber gleichzeitig sehe ich ihn immer noch vor mir, wie er diese typischen ›eckigen‹ Solti-Bewegungen macht, wenn es ein bisschen schneller wird. Das war ein tolles Erlebnis! Es gibt davon auch eine CD-Aufnahme, die ich mir immer noch hin und wieder anhöre.
In dieser Saison dirigiert der Chefdirigent Gijs Leenaars im Konzert Chor und Orchester. Wie ändert sich dadurch die Arbeit?
Die »Missa« ist einfach ein Chorstück. Sie steht und fällt mit dem Chor. Und natürlich kennt Gijs uns extrem gut. Deshalb freue ich mich schon sehr auf die Arbeit, weil er natürlich auf manche Dinge ganz anders guckt und anders hört – das ist für den Chor absolut von Vorteil. Und ich denke, dass man das auch bei den Konzerten merken wird.
Galerie
Petra Leipert in Aktion
© Peter Adamik
© Kai Bienert
©Lovis Ostenrik
© Kai Bienert
©Lovis Ostenrik
© Kai Bienert
© Peter Adamik
Auch du kennst den Chor sehr gut. Du hast schon ab 1965 im damaligen Rundfunk-Kinderchor Berlin gesungen.
Ja, ich bin in Berlin-Oberschöneweide zur Schule gegangen und wir hatten einen Lehrer, der gerne einen Kinderchor gründen wollte. Er hat als erstes an unserer Schule mit den Kindern kleine Tests gemacht, um herauszufinden, ob sie musikalisch sind. Wir sollten zum Beispiel unser Lieblingslied singen oder einen Rhythmus auf dem Tisch nachklopfen. Anschließend hat er mich gefragt, ob ich in den Chor will. Da habe ich gesagt: »Ja, will ich!« Und es hat riesigen Spaß gemacht. Aus dem Chor hat sich dann der »Rundfunk-Kinderchor Berlin« entwickelt, in dem ich bis 1975 gesungen habe.
Fast jeder Deutsche kennt deine Stimme und verbindet mit ihr Kindheitserinnerungen, denn du hast das Sandmännchen gesungen. Wie kam es dazu?
Das war 1969 als der Fernsehturm eröffnet wurde und man wegen der Einführung des Farbfernsehens einen neuen Sandmann brauchte. Ich habe dann die dritte Strophe des Sandmann-Liedes gesungen. Aber wir haben damals als Kinderchor viele Aufnahmen gemacht – ungefähr alle vierzehn Tage – und es gibt auch Schallplattenaufnahmen mit mir aus dieser Zeit. Deshalb war das für mich erstmal gar nichts Großes und ich habe mir keine Gedanken darüber gemacht, wie lange das Sandmännchen laufen würde. Für mich war das einfach wie ein Hobby.
Du hast also dein Hobby zum Beruf gemacht?
Ja, absolut! Es ist der schönste Beruf der Welt! Ich bekomme für das, was ich mache und was mir auch noch wahnsinnig viel Spaß macht, sofort etwas zurück in dem Moment, in dem das Publikum begeistert ist. Ich gehe nach jedem Konzert mit einer solchen Euphorie nach Hause. Wir reisen viel und machen im Rundfunkchor Berlin so unterschiedliche Projekte. Wir arbeiten mit tollen Dirigenten und Orchestern zusammen und ich habe dabei so viel gelernt – was Schöneres kann man sich gar nicht vorstellen.
Was sind neben der »Missa« deine persönlichen Highlights in dieser Saison?
Die Johannes-Passion mit Simon Rattle und den Berliner Philharmonikern wird sicherlich toll. Und dann natürlich das Mitsingkonzert. Jedes Jahr gibt es wieder neue Herausforderungen: sowohl wenn wir neue Projekte machen als auch, wenn wir alte Sachen wieder aufnehmen. Ich freue mich darauf, weil ich merke, dass es mir von Jahr zu Jahr leichter fällt. Die Muskeln, die dafür verantwortlich sind, sind gut trainiert. Das kann noch eine Weile so weitergehen.