Interviews

Auf ein Wort mit Peter Pichler zur Lounge

Peter Pichler am Mixturtrautonium

„Ach nein, ich bin weltweit der Letzte. Es ist schrecklich.“ Peter Pichler ist der letzte Trautonium-Spieler weltweit! Umso mehr freuen wir uns dieses einzigartige Instrument bei der Lounge „Plug it in“ live zu erleben. Herr Pichler hat Musik studiert und ist durch Zufall auf den Sound des Trautoniums gestoßen. Er hat sich in diesen einzigartigen Klang verliebt – diese Verbundenheit hat ihn seitdem nicht losgelassen.

Herr Pichler, Sie spielen Trautonium – ein eher ungewöhnliches Instrument. Wie sind Sie darauf gekommen?

Als ich das Instrument das erste Mal gehört habe – das war in einem avantgardistischen Film von Oskar Sala, dessen Name ich leider nicht mehr weiß – war ich geschockt. Ich habe Musik studiert, dachte aber komisch, das ist keine Stimme, kein Synthesizer, keine Gitarre. Und dann habe ich nachgeforscht und bin darauf gekommen, dass der Klang, der mich so faszinierte, vom Trautonium stammt. Das war ca. 1996, da hat Oskar Sala, der damals letzte Trautonium-Spieler, noch gelebt. Und da bin ich eben öfter zu ihm hingefahren und er hat mir das Trautonium gezeigt, wie es funktioniert und so. Und so hat es angefangen und mich nie wieder losgelassen.

Erzählen Sie uns mehr zur Funktionsweise und Klang des Instruments.

Das Trautonium hat eine Saite und unter der Saite ist eine Metallschiene. Und wenn ich die Saite auf die Metallschiene drücke, dann stelle ich sozusagen einen Stromkreislauf her. Auf der Metallschiene kann man stufenlos entlanggleiten. Es ist aber nicht nur ein Ton, der erklingt, sondern mehrere – es ist nämlich möglich pro Seite immer vier Töne gleichzeitig zu spielen. Ich kann höher spielen als jedes Instrument und auch tiefer als jedes Instrument, ich kann auch lauter spielen als alle anderen. Das Besondere an den Klängen des Trautonium ist, dass es nicht auf der wohltemperierten Stimmung basiert, sondern auf der Naturtonreihe. Wie ein Vogel sozusagen. Der pfeift ja auch nicht auf der Klaviertastatur.

Wenn ich das Instrument so kurz in einem Abriss vorstelle, klingt das immer ganz kompliziert. Aber am Ende ist es der Klang, der ungewöhnlich ist und zu der Zeit der Entwicklung des Instruments absolut außergewöhnlich und unerhört war. Aber dennoch nicht atonal und kalt sondern mitten ins Herz trifft.

Peter Pichler

Das Interessante ist ja auch, wie das Trautonium entstanden ist. Wir befinden uns in Berlin. 1929 wurde das Instrument ca. erfunden und die Idee dahinter war, etwas komplett Neues zu machen – nicht nach-zumachen, sondern neu-zumachen. Das entspricht total der Zeit: Berlin 1929 bedeutet Aufbruchsstimmung, Industrialisierung, wir fliegen, alles ist erlaubt. Totaler Schmelztiegel. Und das zeigt sich auch in der Musik. Ein Echo Effekt war damals Wahnsinn. Z.B. wenn eine Sängerin etwas singt und dann das Echo wie im Kanon versetzt klingt.

Paul Hindemith, damals ganz junger Musikprofessor an der Hochschule in Berlin hat gemeinsam mit dem Ingenieur Friedrich Trautwein dieses Instrument entwickelt. Hindemith wollte unbedingt neue Klänge, neue Regeln, weg von den 500 Jahre alten Akkorden – warme elektronische Musik. Das Trautonium ist eine Art Vorreiter des Synthesizers, weil Trautwein hier zum ersten Mal eine Kippschwingung eingesetzt hat zur Tonerzeugung. Ohne diese Kippschwingung wäre jeder andere Synthesizer undenkbar gewesen.

Bei unserer RundfunkchorLounge am 26. Januar 2022 kommen Sie und Ihr Trautonium als Gast nach Berlin. Was kann der oder die Zuschauer:in am Veranstaltungsabend erwarten?

Ich spiele Hindemiths Trios, wobei ich die allein spiele, also nicht mit drei Menschen. Aber ich mache es auch live immer mit dem Original Instrument, wo ich erst die Bassstimme spiele, dann die Mittelstimmen, dann die hohe Stimme.

Das Interessante ist ja, dass das Instrument und damit auch Hindemiths Stück für Radio entwickelt wurde. Das Instrument wurde in der Rundfunkversuchsstelle zu Berlin erfunden, die extra in der Musikhochschule eingerichtet wurde. Dazu wurde der beste Techniker geholt, Friedrich Trautwein und der beste Komponist damals – Hindemith mit 30 Jahren – und dann der kleine Oskar Sala mit 18 Jahren. Die Drei haben das Trautonium entwickelt, um im Radio spielen zu können. Oskar Sala hatte dann jede Woche eine Sendung und hat live mit Trautonium gespielt.

Die Hindemith „Trios des kleinen Elektromusikers Lieblinge“ sind die ersten Kompositionen eigentlich für elektronische Musik. Das Entscheidende und Neue ist, dass sich die Klangfarbe ändert, während man einen Ton spielt. Das war das erste Instrument, das die Klangfarbe verändern hat. Das hat die Leute natürlich geschockt.

Das nächste Stück ist die Kantate für Sopran und elektronische Klänge von Harald Genzmer, der ja auch ein Hindemith-Schüler war und damals schon so komponiert hat wie DJs heute komponieren. Das funktioniert nicht mehr linear, sondern horizontal – es werden Passagen übereinander geschoben. Man komponiert sozusagen nicht mehr, sondern schiebt übereinander. Die Neufassung von mir wird eine Uraufführung sein. Ich freue mich sehr, dass Melanie Dreher als Sopranistin im Rundfunkchor das Stück mit mir aufführen wird.

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