Das Bildungsprogramm „SING!“ des Rundfunkchores Berlin bringt das gemeinsame Singen in den Schulalltag von Kindern und Lehrer*innen. Im Interview spricht Projektleiterin Martina Graf über die positiven Auswirkungen von Singen auf Sprachentwicklung und Wohlbefinden, die Herausforderungen in der Pandemie und über das besondere Gemeinschaftsgefühl, das Singen erzeugen kann.
Das Projekt SING! möchte Kinder an die Kunstform Singen heranführen. Wie läuft das ganz konkret ab und was wurde bisher erreicht?
Seit 2011 ist das Bildungsprogramm SING! in verschiedenen Berliner Bezirken aktiv und 29 Schulen haben es bereits durchlaufen. Das ist ziemlich beeindruckend, wenn man bedenkt, dass wir mit jeder Schule drei Jahre lang kooperieren und dort wöchentlich singen. Unser musikpädagogisches Team, bestehend aus Chorlehrkräften von Bezirksmusikschulen und einer Musikpädagogin, gründet an den teilnehmenden Schulen SING!-Chöre, in denen Kinder für gewöhnlich klassenübergreifend singen, und führt Fortbildungen mit den Klassen- und Fachlehrer*innen durch, in denen diese eigenständig im Singen mit Kindern und gleichzeitig im Umgang mit ihrer eigenen Stimme ausgebildet werden. Pro Schule gibt es zwei oder drei Chöre sowie die Lehrerfortbildung, in denen wir über das ganze Schuljahr hinweg wöchentlich mit den Teilnehmenden jeweils 45 Minuten singen. Ermöglicht wird das Bildungsprogramm durch die finanzielle Förderung der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie Berlin, der Bühler-Bolstorff Stiftung sowie den Freunden und Förderern des Rundfunkchores Berlin. Zudem wurde SING! 2017 als zukunftsweisendes und nachhaltiges Vermittlungsprogramm mit dem renommierten Junge Ohren Preis ausgezeichnet.
Warum sollte Singen ein fest verankerter Teil des Schulalltags sein und was können Kinder durchs Singen erfahren und lernen?
Tatsache ist: Singen macht glücklich!
Es ist nachweislich gezeigt, dass Singen die Persönlichkeits- und Sprachentwicklung fördert und auch das soziale Klima positiv an einer Schule oder im Umfeld, in dem man singt, beeinflusst. Gerade im Grundschulalter ist es wichtig, früh die eigene Stimme zu entdecken, das persönliche Körperbewusstsein durch bewusste Atmung zu entwickeln, denn dies wirkt sich ebenso positiv auf die Haltung und Kommunikation aus. In Grundschulen und überhaupt im Alltag wird immer weniger gesungen. Vielleicht mal hier und da ein „Happy Birthday“, aber es ist doch extrem selten geworden. Daher verfolgt SING! die Idee, das natürliche Ausdrucksmittel Singen wieder in den Schulalltag zu bringen und darin zu verankern. Das muss auch nicht unbedingt nur im Musikunterricht passieren, Kinder können zum Beispiel auch mal im Matheunterricht das Einmaleins singen oder auch in einem anderen Unterrichtsfach, um dadurch Entspannung zu erfahren und ihre Konzentrationsfähigkeit zu entwickeln.
Neben den Kindern wird auch mit Lehrkräften gearbeitet und gesungen. Was führt zu diesem Konzept?
Das Besondere an SING! ist: es geht nicht nur um die Kinder, sondern gleichermaßen auch um die Lehrkräfte. Denn die Kinder verlassen die Schule wieder, aber die Lehrer*innen bleiben und können das fortführen, was wir gemeinsam mit ihnen aufbauen. Uns ist es sehr wichtig Strukturen zu entwickeln, die langsam in den Schulalltag hineinwachsen, sich verankern und nachhaltig wirken können – daher auch die Projektdauer von drei Jahren. Es gibt viele Vermittlungsprojekte die punktuell ab und zu auftauchen, doch wir arbeiten wirklich IN der Schule mit den Lehrkräften kontinuierlich zusammen und werden ein Teil des Schullalltags, der bleibt und weitergeführt wird, wenn wir nach drei Jahren wieder gehen.
Wie und woran wird innerhalb der wöchentlichen Fortbildung für Lehrkräfte gearbeitet?
Die Stimme ist im Lehrerberuf das wichtigste und das tagtäglich eingesetzte Werkzeug, das gepflegt werden muss, doch auch Wirkung zeigen kann.
Innerhalb der Fortbildungen werden die Lehrkräfte darin ausgebildet ihre eigene Stimme zu nutzen und zu hören. Zunächst kann es Überwindung kosten, sich vor Kinder zu stellen und zu singen, denn das ist im Alltag kaum noch jemand gewohnt. Und daran arbeiten wir! Anstelle einer zusätzlichen Belastung im stressigen vollen Arbeitstag der Lehrer*innen möchten wir ihnen Motivation und Kraft für ihren Alltag mitgeben.