Judith Simonis (Alt) und Holger Marks (Tenor) sind seit mehr als zehn Jahren Mitglieder im Rundfunkchor Berlin. Im September stehen für sie spannende Konzerte mit dem Chor an und auch ein wichtiges persönliches Ereignis, denn sie werden heiraten. Im Interview sprechen sie über Berlioz‘ »Roméo et Juliette« und Liebe auf den ersten Blick.
Shakespeares Romeo und Julia gelten als eines der berühmtesten Liebespaare. Was meint ihr, warum begeistert ihre Geschichte die Menschen auch heute noch?
Judith: Zum einen ist das, glaube ich, dieser Mädchen-Traum, den vermutlich jede Frau mal hatte, dass sie von einem tollen Mann wahrgenommen wird als die einzig Wahre, die Liebe des Lebens. Und dann natürlich diese Tragik, dass sie nicht zusammenkommen können. Wenn etwas nicht realisiert werden kann, dann wird das idealisiert. Und dann sterben sie am Ende auch noch; da war Shakespeare ganz geschickt: Er hat den beiden den Alltag erspart, der die Liebe vielleicht relativiert hätte.
Eine »dramatische Sinfonie« nannte Hector Berlioz sein Werk mit ungewöhnlicher Form. Was erwartet uns bei den Aufführungen mit Daniel Harding und den Berliner Philharmonikern? Und welche Rolle kommt dem Chor zu?
Holger: Das Publikum erwartet kein klassisches Theaterstück, bei dem Romeo und Julia auf der Bühne durch Solisten personifiziert werden. Die Beziehung der beiden wird eher musikalisch durch das Orchester erzählt. Alle anderen Handlungsstränge werden vom Chor dargestellt. Ein kleiner Chor erzählt die Geschichte und zwei große Chöre, die die verfeindeten Familien symbolisieren, schmücken das Ganze aus. Insofern kommt dem Chor eine herausgehobene Stellung zu, weil er die ganze Handlung trägt.
Judith: Durch die Chöre wird auch die Entwicklung der beiden verfeindeten Gruppen dargestellt, bis zum Ende, wo dann der tragische Tod Romeo und Julias die Familien eint. Das merkt man auch in der Musik, wenn die beiden Familienchöre am Ende zu einem großen Chor zusammengeführt werden. Der Fokus liegt nicht so sehr auf Romeo und Julia sondern eher auf dem, was durch sie mit dieser ganzen Gruppe an Menschen passiert
Ihr singt nicht nur über ein Liebespaar – ihr seid auch eines. Wie ist es, gemeinsam zu leben und auch zu arbeiten?
Holger: In unserem Fall empfinde ich das als etwas sehr Schönes. Man kann sich zum Beispiel über die Arbeit austauschen und die andere Person weiß, worum es geht, ohne dass man etwas erklären muss. Wenn wir am Wochenende Konzerte hatten und dafür dann einen Wochentag frei haben, können wir den zusammen genießen. Und nicht zuletzt haben wir das große Glück, einem Chor anzugehören, der viele Reisen unternimmt. Das gemeinsam erleben zu dürfen, ist toll, das genieße ich sehr. Es erspart uns übrigens auch die Hochzeitsreise. Wir heiraten Ende September und sind zwei Wochen später in China auf Tour. Praktischer geht’s gar nicht! Kleiner Scherz…
Judith: Das hat er beschlossen, dass das die Hochzeitsreise ist. Da reden wir nochmal drüber! Es ist aber wirklich so, dass man in diesem Beruf wahnsinnig tolle Erlebnisse hat. Die Konzerte mit Kirill Petrenko zum Beispiel, diese Emotionen, die man da wahrnimmt – Das sind teilweise Sachen, die vergisst man sein ganzes Leben lang nicht. Und es ist schön, wenn man sowas teilen kann und weiß, die andere Person darf das gerade genauso erleben wie ich.
Schon bei ihrer ersten Begegnung verlieben Romeo und Julia sich unsterblich in einander. Glaubt ihr an eine solche Liebe auf den ersten Blick?
Judith: Wenn ich jetzt ganz pragmatisch bin, würde ich sagen: Natürlich gibt es eine starke Anziehungskraft auf den ersten Blick, aber als Liebe würde ich das nicht bezeichnen. Darunter verstehe ich etwas anderes, etwas wesentlich Weitergehendes als dieser erste Moment. Es gibt eine starke Sympathie auf den ersten Blick und dann muss man gucken, was davon übrig bleibt, wenn die Hormone nachlassen. Wenn man es schafft, nach einigen Jahren immer noch so zu empfinden, dann ist es Liebe.
Holger: Das hätte ich genauso ausgedrückt. Ich glaube auch an große Sympathie auf den ersten Blick, aber Liebe ist etwas, das wachsen muss und auch durch näheres Kennenlernen entsteht. Mir ist zum Beispiel unheimlich wichtig, dass die Person den gleichen Humor hat wie ich.