Interviews
Auf ein Wort mit Holger Marks
Holger Marks ist seit 2008 Tenor im Rundfunkchor Berlin und seither nicht nur als Sänger, sondern regelmäßig auch als Moderator zu erleben. Bei der nächsten RundfunkchorLounge am 24. Januar 2018 zur »Macht der Sprache« präsentiert er vier Beatles-Songs in der Übersetzung in verschiedene »Musiksprachen«, etwa die von Fauré oder Purcell.
»Sprache als Musik, Musik als Sprache« ist das Thema der nächsten RundfunkchorLounge. Welche Bedeutung hat Sprache für dich als Sänger?
Wenn man ein Lied interpretieren und den Sinn des Textes transportieren möchte, dann hilft die Musik mit ihren Linien und ihrer Form ungemein. Ein Text lässt sich durch Musik einfach viel besser ausdrücken. Außerdem: Wenn man nur Lieder mit Vokalisen sänge, würde es mit der Zeit vermutlich ein bisschen langweilig werden.
Spielt das (gesungene) Wort nicht eigentlich immer eine Rolle im Chorgesang?
Eigentlich ja, vor allem im Chorgesang. Es gibt natürlich Kompositionen, bei denen es rein auf den Klang ankommt. Und in besonders halligen Räumen wie dem Berliner Dom wirken sicherlich auch solche Stücke, die nur auf »a« oder »o« gesungen werden. Aber meist spielt die Sprache doch eine große Rolle.
Erleichtert es die Einstudierung eines Werkes, wenn darin ein Text vertont wurde?
Mir geht es eher andersherum: Die Musik erleichtert es mir, einen Text auswendig zu lernen. Wenn ich eine Melodie singe, die den Text unterstützt – bei einem fröhlichen Text geht sie beispielsweise nach oben, bei einem traurigen nach unten -, kann ich mir den Text viel besser einprägen.
Wie ist es, wenn du einen Text singen musst, der dir nichts sagt?
Solange die Musik mich für sich einnehmen kann, ist mir der Text eigentlich wurscht, da kann er machen, was er will. Als ich im Englischen noch nicht so bewandert war, habe ich vor allem Pop-Songs ausschließlich wegen der Musik oder der Stimme des Sängers gemocht. Erst später habe ich dann gemerkt, was ich da seinerzeit eigentlich angehört habe. Heute ist es ähnlich: Zuerst höre ich die Musik, dann erst kommt der Text an die Reihe.
Was kann vertonte Sprache ausdrücken, was das gesprochene Wort nicht ausdrücken kann?
Die Sprache kann für mich emotional enorm hinzugewinnen, wenn sie vertont wird. Ich war gerade in einem Walt-Disney-Film. In einer der letzten Szenen singt ein Kind seiner Urgroßmutter ein Lied vor. Und das ist so rührend, dass ich doch tatsächlich weinen musste. Natürlich war diese Szene sehr schmalzig. Doch sie hat mich voll getroffen: Wenn das Kind den Text seiner Großmutter nur vorgesprochen hätte, hätte mich das nie so berührt. Genau das ist es, was die Musik kann. Sie kann der Sprache, einem Text eine unglaubliche Innigkeit verleihen, die das gesprochene Wort so nicht erreichen kann.
Im Rundfunkchor singt Ihr in vielen Sprachen. Gibt es Sprachen, die das Singen erleichtern, und Sprachen, die es schwer machen?
Wir kommen eigentlich mit jeder Sprache gut zurecht, haben jeweils auch spezielle Sprachberater. Für mich persönlich macht es einen Unterschied, ob wir ein Stück in der Originalsprache singen oder nicht. Ich singe zum Beispiel als Solist Händels »Messias« viel lieber im englischen Original – weil die Worte besser vertont sind, sie liegen einfach besser im Melodiestrom als in der deutschen Übersetzung. Da wirkt es manchmal ein bisschen holprig. So ist das auch im Chorgesang. Aber als Ensemble fühlen wir uns in vielen Sprachen zuhause.
Galerie
Holger Marks in Aktion
© Peter Adamik
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© Kai Bienert
© Peter Adamik
© Matthias Heyde
© Stefan Wieland
© Matthias Heyde
© Jascha Zube
© Jascha Zube
Es macht keinen Unterschied, ob du die Sprache selbst sprichst oder verstehst?
Wir haben ja eine Übersetzung und wissen, wovon wir singen. Wir arbeiten nicht nur an der Aussprache, sondern auch inhaltlich. Wir gehen den Text mit unseren Sprachberatern Wort für Wort durch, markieren uns die Schlüsselwörter, da geht’s oft schon um die richtige Betonung – wie zum Beispiel im Russischen, wo ein falsch gesungenes »l« dem Ganzen schon mal eine ganz andere Bedeutung geben kann. Und manchmal bekommen wir auch den übersetzten Text wortgetreu schriftlich.
Du trittst bei unseren Veranstaltungen immer wieder auch als Moderator in Erscheinung, beispielsweise in unserer Liederbörse. Warum braucht es in einem Konzert überhaupt einen Moderator?
Ich glaube, dass es ein Konzert immer bereichern kann, wenn das Publikum darüber informiert wird, wer der Komponist ist, in welchem Jahrhundert er gelebt hat, wie dieses Jahrhundert aussah und welche Intentionen der Komponist beim Schreiben hatte. Ich habe das Gefühl, dass das Publikum die Musik mit einer anderen Einstellung aufnimmt, wenn es die Geschichte des Stückes kennt.
Macht es für dich einen Unterschied, ob du mit Noten auf der Bühne stehst oder frei plauderst?
Absolut. Eine Moderation ist im Vorfeld sehr zeitaufwendig – weil ich möchte, dass die Zuhörer wirklich einen Mehrwert geboten bekommen. Wenn ich als Sänger im Chor mit Noten auf der Bühne stehe, haben wir natürlich auch geprobt. Doch wir bringen eine Interpretation, die wir im Vorfeld einstudiert haben. Für eine Moderation mache ich mir Stichworte, und dann nehme ich spontan die Stimmung im Saal auf. Ich merke, wo ich die Leute packe, wo ich deutlicher werden muss oder wo ich auch mal meine Klappe halten sollte. Da ich seltener moderiere als singe, stehe ich zuvor meist mit schlotternden Knien am Bühneneingang. Aber wenn ich dann auf der Bühne stehe, lege ich einfach los – und das hat bis jetzt meistens ganz gut geklappt.
Du wirst bei der Lounge am 24. Januar auch kammermusikalisch zu erleben sein. Was erwartet uns da?
Ich will nur so viel verraten: Ich werde das berühmte »Yesterday« von Gabriel Fauré singen.
Ist das Singen im Rundfunkchor Berlin ein Traumberuf für dich?
Ich hatte immer zwei Traumberufe: Der eine war Pilot, der andere war Musik zu machen. Beim einen Traum haben mir meine Augen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ich bin glücklich, dass ich meinen zweiten Traumberuf ausüben darf. Ich liebe Ensemblegesang. Ich singe auch gern solistisch, auch mit Orchester, aber wenn sich in einem Ensemble zum Beispiel vier Stimmen treffen, die total gut zusammenpassen und wunderschöne Musik machen – das ist etwas, was mich träumen lässt. Genauso ist es im großen Chor. Wenn da ein gemeinsamer Klang entsteht, nur hervorgebracht von Stimmen, mit wunderbaren Klängen und schwebender Musik, dann fühle ich mich sehr wohl. Manche Stücke schaffen das besser, manche weniger. Aber der Chorklang ist doch immer eine große Freude für mich.
Welche Musik hörst du denn gern privat?
Ganz andere. Ich bin ein absoluter Fan des R&B von den 80ern bis heute. Je grooviger die Drums, je fetter der Bass, desto besser. Ich brauche, wenn ich Musik höre, Rhythmus. Ich muss mitwippen, manchmal singe oder schnipse ich dazu. Motown mag ich auch mal gern. Aber Babyface oder Brian McKnight oder die spätere Whitney Houston – die haben es mir besonders angetan.
Und zum Abschluss noch die Frage: Was sollte man in dieser Saison nicht verpassen?
Ich liebe vor allem französische und skandinavische Komponisten in der Chormusik. Ich hoffe daher, dass viele Freunde die Gelegenheit haben werden, bei Ravels »L’Enfant et les sortilèges« mit den Berliner Philharmonikern dabei zu sein.