Interviews

Auf ein Wort mit Heike Peetz-Glintenkamp

Heike Peetz

Die Sopranistin Heike Peetz-Glintenkamp ist seit 2011 Mitglied im Rundfunkchor Berlin. Neben ihrer Arbeit als Chorsängerin ist sie auch als Chorleiterin und Stimmbildnerin aktiv. Im Interview spricht sie über die anstehende Liederbörse und darüber, wie man Kinder für das Singen begeistert.

Bei der Liederbörse singen Schulchöre aus ganz Berlin gemeinsam mit euch. Was ist deine Aufgabe?

Vor allem natürlich, im Chor zu singen und dabei einen frischen und fröhlichen Eindruck zu machen – was mir leicht fällt, weil so viel Energie von den Kindern und aus dem Publikum kommt. Meist besuchen Sängerinnen und Sänger von uns im Vorfeld die beteiligten Schulen und arbeiten mit den Chören. Mir ist das ein wichtiges Anliegen, weil ich mit Chorsingen aufgewachsen bin. Ich habe immer in Chören gesungen und die Erfahrung gemacht, dass da ein ganz spezielles Miteinander herrscht. Diese Erfahrung möchte ich an Kinder weitergeben.

Machen dir als Profi-Sängerin die Liederbörsen-Proben und -Konzerte wirklich Spaß?

Oh ja, auch weil Gunter Berger das als Dirigent hervorragend macht. Er schafft es, die Kinder auf ganz natürliche Weise zu motivieren, er begegnet ihnen mit Respekt und betrachtet sie nicht nur als die Kleinen. Und wenn man sieht, mit welcher Begeisterung die Kinder bei der Sache sind, wird man wieder daran erinnert, warum man diesen Beruf ergriffen hat und dass man diese Begeisterung selbst in sich trägt – auch wenn man das im harten Probenprozess mal vergisst. Außerdem wird einem bewusst, dass es für viele Menschen etwas ganz Besonderes ist, in der Philharmonie auf der Bühne zu stehen. Wir stehen da so oft, dass uns das ganz normal vorkommt. Aber für die Kinder ist es etwas ganz Besonderes, und auch die Eltern empfinden es als herausragendes Ereignis.

Es heißt immer, dass Kinder nicht mehr singen. Wie ist deine Erfahrung, auch als SING!-Patin: Ist das Singen den Grundschulkindern tatsächlich fremd?

Es kommt immer darauf an: Meine eigenen Kinder singen den ganzen Tag, weil sie es gar nicht anders kennen. Meine zwei Jüngsten dachten, jeder, der zur Arbeit geht, geht in den Chor – sie wussten gar nicht, dass man etwas anderes arbeiten kann. Ich habe es immer so erlebt, dass das Singen Kinder begeistert. Aber ich hab auch schon erlebt, dass die ErzieherInnen im Kindergarten ein Playback einlegen, und dann brüllen alle Kinder auf einem tiefen Ton den Text mit – da stehen einem die Haare zu Berge. Das finde ich schade, weil ich an meinen eigenen Kindern sehe, welches Potenzial in ihnen steckt und dass man einfach nur sagen muss: Hör doch mal richtig hin, du singst ja gar nicht den gleichen Ton wie ich. Dann überlegen sie und setzen das ganz schnell um. Ich glaube nicht, dass meine Kinder da eine Ausnahme bilden. Es hängt stark davon ab, inwiefern die ErzieherInnen das fördern können.

Was kann man machen, damit die Begeisterung bei den älteren Kindern erhalten bleibt?

Viel singen! Und sei es auch nur ein Gute-Nacht-Lied oder auf der Autobahn, wenn es langweilig wird, ein Kanon. Ich finde den Ansatz des SING!-Projekts genau richtig: dass das Singen nicht nur im Musikunterricht geparkt wird. Sondern dass auch Lehrer ausgebildet werden, die nicht Musiklehrer sind und die das Singen ganz natürlich in ihren Unterricht einbeziehen können. Singen kann eine Entspannung bieten oder ein Ritual sein, den Tag zu eröffnen. – Ich bin auch schon von Schülern gefragt worden: Wie fühlt sich das denn an, wenn man so berühmt ist? Eine andere Frage war: Können Sie uns mal Ihren höchsten Ton singen? Da waren sie ganz beeindruckt. Und nach zwei weiteren Fragen kam die Bitte: Können Sie uns den Ton nochmal singen? Da merkt man, dass die Kinder spüren, das Singen kann auch ein Beruf sein, wo man auch etwas können muss, und das beeindruckt sie.

Neben deiner Arbeit als Sängerin im Rundfunkchor Berlin arbeitest du auch als Chorleiterin. Gibt es da Wechselwirkungen?

Absolut! Ich wollte als Jugendliche eigentlich lieber Chorleiterin werden, aber dann dachte ich mir: Wenn du da vorn stehst, kannst du nicht mehr mitsingen, und das ist doch, was dir so viel Spaß macht. Ich hab dann Gesang studiert, und da wird man eher vom Chor weggelenkt. Das hat mir sehr gefehlt, aber dann kam ich zum Glück an einen Lehrer, der selbst zweigleisig gearbeitet und mich da gut begleitet hat. Und dann hatte ich mit 24 Jahren auch schon meinen eigenen Chor und bald den zweiten, den ich heute noch leite. Singen und Dirigieren befruchtet einander, weil man immer die Perspektive wechselt: Im Rundfunkchor erlebe ich viele verschiedene Dirigenten, und das ist für mich die beste Fortbildung, die ich bekommen könnte. Manchmal denke ich: Super, wie der das einstudiert und mit welchen Bildern er arbeitet. Aber es passiert auch mal, dass ein Dirigent den Chor psychologisch ungünstig behandelt. Dann weiß ich: Aha, so fühlt sich das an, das sollte ich selbst also bleiben lassen. Auf der anderen Seite habe ich mehr Verständnis, weil ich weiß, was ein Dirigent alles beachten muss: Man muss zuhören und die Antennen für jeden einzelnen offen halten, man muss Leute anspornen, die sich eher zurückhalten, und andere zurückpfeifen, die sich zu sehr in den Vordergrund drängen. Man muss immer die Waage halten und schnell Entscheidungen treffen – ein  Multi-Tasking-Job.

Ist das Singen im Rundfunkchor Berlin ein Traumberuf für dich?

Ja! Schon als Kind hat mich das Chorsingen begeistert, ich habe mich die ganze Woche auf die nächste Chorprobe gefreut – und diese Leidenschaft hat nie nachgelassen. Ich bin nicht so der Einzelkämpfer, ich finde es gerade schön, im Team zu arbeiten und mit den anderen gemeinsam gut zu sein. Außerdem arbeiten wir auf höchstem Niveau.

Welche Musik hörst du privat?

Je länger ich arbeite, desto mehr genieße ich es, nichts zu hören. Ansonsten höre ich auch privat unheimlich viel Chormusik, weil ich ständig auf Inspirationssuche für meinen eigenen Chor bin. Ein schöner Chorklang und immer wieder neue Möglichkeiten, dieses Genre auszutesten, begeistern mich absolut. Ich gehe ganz gern in die Oper, auch um gute Sänger zu hören. Wir machen viel Musik in der Familie, führen zu Geburtstagen auch mal was von ABBA auf. Und über meine Kinder höre ich unfreiwillig alles Mögliche.

Welche Konzerte des Rundfunkchores Berlin sollte man in der aktuellen Saison nicht verpassen?

Im Moment proben wir »Otello« für die Aufführungen mit Zubin Mehta und den Philharmonikern. Oper ist ja eher seltener für uns als Rundfunkchor – das wird, glaube ich, ein Höhepunkt. Ich freue mich sehr auf die Johannes-Passion mit Peter Sellars. Das ist ein herausragendes Erlebnis, weil er ein einzigartiger Regisseur ist, der einen auch ganz privat anrührt und einem die Passionsgeschichten so nahe bringt, wie ich das sonst nie erlebt habe. Und natürlich ist das »human requiem« auch immer ein großer Höhepunkt für uns und die Zuschauer.

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