Im August startete die neue Saison des Rundfunkchors Berlin – aufgrund der Corona-Pandemie unter besonderen Bedingungen. Im Interview sprechen Chefdirigent Gijs Leenaars und Chordirektor Hans-Hermann Rehberg über die aktuellen Herausforderungen für Proben und Konzerte und geben einen Einblick in die Planung der kommenden Monate, insbesondere die der Konzertinstallation THE WORLD TO COME, welche Anfang Oktober im Vollgutlager Berlin stattfinden wird.
Die neue Saison ist gestartet! — Nur völlig anders als geplant. Die letzten Monate waren von großen planerischen und künstlerischen Herausforderungen geprägt. Könnt ihr uns einen kleinen Einblick geben?
Hans: Die Schwierigkeit in den letzten Monaten war, dass man nie wusste, wie sich die Pandemie entwickelt, welchen Restriktionen man folgen und wie man den Probenalltag immer wieder neu überdenken muss. Verschiedene Projekte sind dann auch neuen Entscheidungen zum Opfer gefallen. Wir wollten z.B. ein Mitsing-Video für die Kinder und Eltern produzieren, die normalerweise mit uns die Liederbörse gestalten, doch dann kam im Juni das Sing-Verbot in geschlossenen Räumen dazwischen. Auch im Ensemble war viel Flexibilität gefragt, da sich die Dienstpläne häufig geändert haben und die Sänger so keine zuverlässige Planung mit der Familie machen konnten. Ich glaube, hier gibt es eine große Herausforderung sowohl für uns als auch für das Ensemble.
Gijs: Im Moment ist es immer noch so, dass wir unter besonderen Bedingungen arbeiten; zum Beispiel ist der Chor in Kurzarbeit. Dennoch versuchen wir, einige Projekte zu planen und umzusetzen. Das ist einerseits schön, aber auch anders als sonst, da manche Dinge, wie die Abstandsregelungen für Proben und Konzerte, sehr lang unklar bleiben. Wir planen aktuell also wieder Projekte, von denen ich sehr hoffe, dass sie stattfinden, bei denen aber noch nicht klar ist, ob wir sie so umsetzen können, wie wir es vorhatten.
Welche Regelungen gibt es aktuell für die Probenarbeit und die Konzertplanung?
Hans: Die Verfügbarkeit von Räumen spielt eine große Rolle. Im Haus des Rundfunks haben wir das große Glück, mit Kleingruppen in verschiedene kleinere Räume ausweichen und mit dem gesamten Ensemble im großen Sendesaal proben zu können. Da steht der Chor dann zwar nicht zusammen auf der Bühne, sondern überall im Zuschauerraum verteilt, aber das ermöglicht es uns immerhin, mit dem ganzen Ensemble und unter Einhaltung der gebotenen Abstände zu proben. Bei Konzerten muss dann zusätzlich darauf geachtet werden, dass auch nur eine bestimmte Menge Publikum im Raum sein darf. Die Mindestabstände diktieren hier das Programm, denn ein 60-köpfiges Ensemble passt mitunter nicht mehr in unsere üblichen Veranstaltungsorte wie das silent green. Für die Aufstellungsmöglichkeiten bei großen Werken in der Philharmonie und dem Konzerthaus sind wir gerade in der Diskussion.
Im August hat bereits das erste Konzert der Saison, die RundfunkchorLounge, stattgefunden, und das endlich wieder vor einem Live-Publikum. Wie ist euer Eindruck von dem Abend?
Hans: Für das Konzert brauchten wir ein corona-taugliches Programm, da aufgrund der Mindestabstände nicht der ganze Chor sondern nur Solisten auftreten konnten. Gijs war da sehr kreativ und hat bei Philip Mayers ein Werk in Auftrag gegeben: »Stèle«, eine schöne Komposition für Tenor, Viola, Flöte, Klavier, Crotales und Glasharfe. Diese Gläser wurden dann von knapp 20 Ensemble-Mitgliedern gespielt. Das war eine unglaublich schöne, spannungsreiche Sache und einer Rezension zufolge das Highlight des Abends. Auf diese Weise war der Chor präsent und gesanglich vertreten durch seine exzellenten Solisten, die alle großartige Arbeit geleistet haben mit wirklich anspruchsvollen Werken, die man sonst im Konzertalltag nicht zu hören kriegt.
Gijs: Ich habe mich sehr gefreut, dass die Lounge stattfinden konnte — zwar sehr beschränkt und ein wenig umständlicher als normal, aber man hat gemerkt, dass es uns guttut, das Publikum um uns herum zu haben, und das gilt auch andersherum, denke ich. Die Lounge wurde von Deutschlandfunk Kultur aufgezeichnet und wird im Radio übertragen werden, aber es ist auch sehr schön, wieder ein Publikum gegenüber zu haben, das trotz der Auflagen wie Abstandsregeln und Maskenpflicht kommen möchte. Diese Energie hat man gespürt, auch wenn die Atmosphäre natürlich eine andere war als sonst. Andererseits ist es natürlich auch ein wenig schmerzhaft, nur ein kleines Publikum zu haben, und es ist wirtschaftlich eine schwierige Lage, denn die Produktionen kosten nicht weniger als sonst, aber man verkauft viel weniger Karten. Ich bin gespannt, wie sich das nächste Jahr in dieser Hinsicht entwickelt.