Interviews

Auf ein Wort mit Christiane Theobald

Dr. Christiane Theobald ist Ballett-Dramaturgin und Kulturmanagerin, die seit 36 Jahren für das Ballett in Berlin steht. Sie leitet seit der Spielzeit 2020/2021 als Kommissarische Intendantin das Staatsballett Berlin. Unter anderem ist sie Gründerin des pädagogischen Programmes Tanz ist Klasse! e.V. (TiK) und setzt sich für eine Ausbildung junger Tänzerinnen und Tänzern ein. Seit mehreren Jahren singt sie bereits beim Mitsingkonzert mit.

Liebe Christiane Theobald,

Sie sind langjährige Mitsängerin bei dem beliebten Mitsingkonzert des Rundfunkchores Berlin und auch Mitglied der Freunde und Förderer e.V. des Rundfunkchores. Auch in diesem Jahr sind Sie wieder als Mitsängerin dabei. Was können Sänger:innen und auch Zuhörende in diesem Jahr erwarten und was macht dieses Konzertformat so besonders?

Die Mitsingkonzerte des Rundfunkchores Berlin haben ganz entscheidend zu einer Veränderung geführt: die Begeisterung für Chorgesang generell! Die Möglichkeit zu haben, mit einem professionellen Chor, dem Rundfunkchor Berlin als Amateur:in, eben begeisterte Amateur:in unter professionellen Bedingungen ein Werk zu proben und zur Aufführung zu bringen ist ein berauschendes Erlebnis. Man wird süchtig danach.

Wie läuft das Mitsingkonzert beziehungsweise der Probenprozess vor dem Konzert ab?

Der Probenprozess ist mindestens ebenso wichtig wie das Konzert, auf das alles hinausläuft und dann leider viel zu schnell wieder vorbei ist.

Zunächst findet die Vorbereitung individuell statt, man kennt die Partitur und seine Partie. Selbstverständlich kommt man einstudiert und in Kenntnis des Notentextes zu den Proben des Mitsingkonzertes. Nun trifft man erstmalig alle Mitsänger:innen, bevor wieder in den einzelnen Stimmgruppen die detaillierte Arbeit am Notentext, die Absprachen und Verabredungen, die der Dirigent Simon Halsey mit uns trifft, beginnt.

Später wird dann mit dem Rundfunkchor Berlin geprobt und es entsteht ein einmaliges Klangbild – das ist schon ein ganz markanter und wichtiger Meilenstein. 

Unser Ehrendirigent Simon Halsey dirigiert das Konzert – wie erleben Sie die Zusammenarbeit mit einem so erfahrenen Dirigenten und sagen wir zwischen Laien und den Profis vom RundfunkChor?

Die wichtigsten Bemerkungen, Hintergrundinformationen oder auch Geschichten, die Simon uns in seiner unnachahmlichen Art zum Besten gibt, verfängt bei den Profis wie bei den Amateuren. Seine Art der Wissens-Vermittlung bietet nicht nur beste Unterhaltung, die profunden Hinweise auf herausragende Stellen und die Interpretation, die Lesart der jeweiligen Partitur, bleibt einem für immer im Gedächtnis.  

Außerdem, die unglaubliche Energie, die Simon Halsey auf die Mitsänger:innen zu übertragen weiß – alle hängen an seinen Lippen – ist ein regelrechter Energie-Booster. Man muss sich fragen, wo er denn für sich auftanken geht. Das Geheimnis würde ich gerne kennen. Wir sind also alle höchst motiviert und wollen natürlich das Beste geben, um dem Rundfunkchor so nah wie möglich zu kommen.

Nach den Proben steht dann das lang ersehnte Konzert an, wie ist es das Stück gemeinsam zu singen? Wie entsteht ein Gemeinschaftsgefühl unter so vielen, sich zuvor fremden Menschen?

Ein Konzert mit dem Rundfunkchor gemeinsam singen zu dürfen ist ein großartiges Erlebnis, davon zehrt man noch lange. Ein Gemeinschaftsgefühl entsteht zwischen all den Menschen, die sich nicht kennen und doch ein Ensemble bilden, weil Simon uns zuvor in den Proben mit seiner Interpretation des Notentextes vertraut gemacht hat und wir intensiv probiert haben. Wenn es dann authentisch und wahrhaftig vorgetragen wird, entfaltet es seine ganze Kraft, die sich auf die Zuhörer:innen überträgt und so entsteht die Interpretationskette, die mit der Komposition aus der Hand Josephs Haydns ihren Anfang nahm, über die Publikation des Notentextes, hin zur Interpretation von Simon Halsey und der zu gehörbringenden Ausführung durch den Rundfunkchor Berlin und hunderten bis hin zu tausend Mitsänger:innen.

Sie sagen, man könne, wenn man einmal bei Mitsingkonzert dabei war, nicht genug davon bekommen – erleben Sie, dass es anderen Mitsänger:innen auch so geht?

Aus dem Leaderchorformat, das es über einige Jahre unter der Leitung von Simon Halsey gegeben hat, hat sich ein Kern von Leuten gebildet, der sich immer wieder zu den Mitsingkonzerten, wo auch immer sie stattfinden, verabredet. (Wir haben uns sogar einen Namen gegeben, aber den möchte ich nicht verraten.) Wir freuen uns, die wir aus ganz Deutschland immer wieder zusammenzukommen, um gemeinsam zu singen. Zahlreiche Gruppen, Chorgemeinschaften oder Einzelpersonen, haben sich so kennen und schätzen gelernt und sind seitdem befreundet. 

Es ist eine erfüllende, beglückende Erfahrung als Sänger:in in einem Mitsingkonzert, Teil eines Großen und Ganzen zu sein und darin aufzugehen, einen gemeinsamen Ton zu finden. Das ist eine Erfahrung jenseits der Komposition, die man zu Gehör bringt. Für das Publikum kann sich ein Konzert ergeben, das überwältigend ist und das Publikum abholt, mitnimmt, umschließt, sodass es das Gefühl hat, Zeuge von etwas ganz Außergewöhnlichem gewesen zu sein. 

Wenn Sie an die Mitsingkonzerte denken – wie gelingt es aus so vielen Einzelstimmen in so kurzer Zeit etwas Gesamtes / Einheitliches zu schaffen? Was nehmen Sie aus diesen Konzerten für sich mit?

Aus diesen vielen Individuen und einzelnen Stimmen, bestehend aus Profis und Amateuren einen Chorus zu formen, der dann auch noch eine spezifische Klangfarbe erreicht und als Ganzes wirkt, ist ein Wunder und ein beglückendes Erlebnis.

In diesem Jahr wird ein lang ersehnter Wunsch aus der Chorcommunity gesungen – Haydens „Die Schöpfung“ Was können die Zuhörer:innen und Mitsänger:innen von diesem Konzert erwarten?

Die Schöpfung von Haydn ist ein großes Oratorium, in dem die Chöre tragende Säulen sind, ein Werk, das in jedem ambitionierten Chor zum Standardrepertoire gehört.

„Es werde Licht“ ist eine der faszinierendsten Momente in der Komposition. Es ist überliefert, dass van Swieten, der die Textvorlage für Haydn schrieb, auch gleich dramaturgische Hinweise mitgeliefert hatte: „In dem Chore könnte die Finsternis nach und nach schwinden; doch so, dass von dem Dunklen genug übrig bleibe, um den augenblicklichen Übergang zum Lichte recht stark empfinden zu machen. Es werde Licht, darf nur einmal gesagt werden!“

In England hatte Haydn die Kraft und Energie, die überwältigende Wirkung von riesigen Ensembles kennengelernt.  Deshalb eignet sich Haydns Schöpfung ideal für ein Mitsingkonzert, in dem aufgrund der zahlreichen Mitwirkenden ein monumentales Klangvolumen erzielt wird. 

Gibt es so etwas wie einen schönsten Moment für Sie, wenn Sie an die Mitsingkonzerte zurückdenken?

Ein besonderer Moment ist der kurz vor Beginn des Konzertes, die Proben liegen hinter uns, wir sind wie zu sehr gespannte Sehnen und warten nun darauf, dass es endlich losgeht und die unwiederbringliche Chance kommt, ein Konzert zu singen, das unvergesslich bleibt, bestenfalls. Das ist für mich der schönste Moment.

Zum Abschluss – was würden Sie jemandem raten, der noch etwas unsicher ist, ob er oder sie ausreichend gut singen kann, um dabei zu sein?

Das Mitsingkonzert gibt allen Teilnehmer:innen die Chance zu partizipieren, die Erfahrung zu machen, dass Musik verbindet, dass Hierarchien keine Rolle spielen. Die Welt ist eine bessere Welt, eine, die die Individuen verbindet, nicht polarisiert. Die Mitsänger:innen zu fühlen, einander wahrzunehmen, damit wir alle einen gemeinsamen Ton bilden ist für mich das allerschönste.

Ich würde unbedingt dazu aufrufen wollen, sich zu trauen, an einem Mitsingkonzert mitzuwirken, man muss keine Angst haben oder vor Ehrfurcht erstarren. Man bekommt so viel zurück, die emotionale Erfahrung ist unvergleichlich.

Vielen Dank für Ihre Zeit und das spannende und bereichernde Gespräch – wir freuen uns auf das Mitsingkonzert am 02.07. in der Philharmonie mit Ihnen und vielen anderen begeisterten Mitsänger:innen.

Sie möchten Mitsingen: Hier geht es zur Anmeldung für Mitsingende.

Zuhörer:innentickets sind für 45 Euro erhältlich: Hier geht es zum Ticketshop.

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