Interviews

Auf ein Wort mit Annerose Hummel

Foto Annerose Hummel, Altistin im Rundfunkchor Berlin

Die Altistin ist seit 2008 Mitglied im Rundfunkchor Berlin und engagiert sich im Chorvorstand für die Belange des Chores. Die Wilson-Produktion »LUTHER dancing with the gods« ist für sie in vielerlei Hinsicht spannend.

Der Rundfunkchor Berlin realisiert derzeit das Projekt »LUTHER dancing with the gods« im Pierre Boulez Saal. Was erwartet unser Publikum bei diesem Projekt? Worum geht es?

Das Publikum erwartet eine typische Wilson-Inszenierung, also abstraktes, bilderreiches Theater, das dem Betrachter einen großen Assoziationsspielraum lässt. Ich denke, wenn man da neugierig hingeht, kann sich jeder sein eigenes Stück im Kopf zusammensetzen und ganz eigene Assoziationen entwickeln.

Wie erlebst du den Saal, was zeichnet ihn im Vergleich zu anderen Konzertsälen in Berlin aus deiner Perspektive aus?

Der Saal hat eine wundervolle, für Kammermusik ideale Akustik, die ein ganz feines Singen und Arbeiten ermöglicht. Da kann man wirklich in die leisesten Piano-Schattierungen gehen. Besonders in der kleinen Besetzung ist es einfach ein großer Genuss, in diesem Saal zu singen. Das Publikum ist sehr nah, und das ist auch eine Herausforderung. Es entsteht eine ganz intime, tolle Konzertatmosphäre.

Auf dem Programm stehen unter anderem vier Motetten von Johann Sebastian Bach. Was macht die Interpretation durch den Rundfunkchor Berlin unter Leitung von Gijs Leenaars besonders?

Die Antwort würde ich gern dem Zuhörer überlassen – weil ich es schwierig finde, das von innen heraus zu beurteilen. Ich kann sagen, dass es uns wichtig ist, einen sehr persönlichen Ausdruck zu finden, einen sehr persönlichen Bach zu musizieren und unseren warmen Klang mit der Transparenz, die diese Musik hat, zu verbinden.

Die Musik ist eingebettet in eine genreübergreifende Produktion in der Regie von Robert Wilson. Es ist nicht die erste szenische Arbeit mit Musik von Bach vom Rundfunkchor Berlin. Was unterscheidet die Arbeit mit Wilson von der Arbeit mit Peter Sellars an der Matthäus- und der Johannes-Passion?

Die Regisseure, die ich beide sehr schätze, haben unterschiedliche Ansätze. Peter Sellars geht es darum, dass man mit seiner Rolle auf der Bühne auch Emotionen verbindet, dass man diese Emotionen wirklich herauslässt und damit arbeitet. Die Texte werden bei ihm sogar mit tagesaktuellem Geschehen verknüpft – es geht wirklich in die Psychologie. Robert Wilson geht es mehr um eine assoziative Ebene, um Bilder, die etwas hervorrufen. Als Darsteller bekommt man auch nichts an die Hand, was man erfühlen soll. Es geht vielmehr um eine Form, die man selbst füllen muss. Das ist eine ganz andere Art von Theater.

Wie erlebst du die Zusammenarbeit mit Robert Wilson insgesamt?

Ich erlebe ihn als uns sehr zugetan. Bei Robert Wilson ist die äußere Form ausschlaggebend, er korrigiert zum Beispiel ganz genau bis hin zur Fingerhaltung. Bei Peter Sellars hat man viel mehr individuelle Freiheit. Robert Wilson möchte, dass die Musik im Vordergrund steht und nicht durch die Bilder gestört wird. Deswegen fordert er zum Beispiel ganz ruhige Bewegungen.

Was nimmst du für deine Arbeit auf der Bühne im Allgemeinen mit?

Mir imponieren die Konzentration und die Ruhe auf der Probe. Und dieses sich ganz Versenken in den Moment.

Welche Musik hörst du privat?

Musik ohne Gesang, Kammermusik, Klaviermusik. Und beim Joggen aktuelle Popmusik.

Ist das Singen im Rundfunkchor Berlin ein Traumberuf?

Auf jeden Fall. Ich liebe einfach den Klang des Chores, ich empfinde da tatsächlich ein körperliches Wohlbefinden. Wenn ich mit den KollegInnen singe, werden irgendwelche tieferliegenden Schichten berührt, die mich sehr zufrieden machen.

Was sollte man nach »LUTHER« in dieser Saison nicht verpassen?

Nicht verpassen sollte man das Brahms-Requiem mit Yannick Nézet-Séguin. Es ist wie für den Rundfunkchor gemacht. Der Klang des Chores passt perfekt zu diesem Stück. Wir haben schon einmal mit Yannick Nézet-Séguin gearbeitet, das war wunderbar. Jetzt freue ich mich auf den Brahms.

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